Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir
willen!«
»Um der Liebe Gottes!«, schrie ich. »Wie kannst du es wagen, Gottes Liebe in den Mund zu nehmen! Ihr schlachtet Kinder ab!« Mir gelang eine Drehung, und ich trat nach ihm aus, verletzte ihn stärker, als er erwartet hatte, aber wie schon zuvor, nahmen gleich drei andere seinen Platz ein.
Schließlich standen nur noch drei schreckensbleiche Kinder im unheimlichen Schein des Feuers, die jüngsten unseres Haushaltes, und keines gab einen Laut von sich. Ihr Schweigen war gespenstisch, ihre kleinen, tränennassen Gesichter bebten, ihre Augen schauten stumpf und ungläubig, als sie den Flammen übergeben wurden.
Ich rief sie beim Namen. Mit höchster Lautstärke rief ich ihnen zu: »Im Himmel, meine Brüder, im Himmel werdet ihr in den Armen Gottes sein!«
Aber wie konnte ihr sterbliches Gehör dies über den ohrenbetäubenden Gesang hinweg vernehmen?
Plötzlich merkte ich, dass Riccardo nicht unter den Verurteilten gewesen war. Entweder war er entkommen, oder man hatte ihn verschont, oder sie hatten für ihn noch etwas weit Entsetzlicheres vorgesehen. Ich runzelte die Brauen vor Anstrengung, diese Gedanken vor ihnen zu verschließen, damit diese übersinnlichen Bestien nicht an Riccardo erinnert wurden.
Aber ich wurde aus meinen Gedanken gerissen und zu dem Scheiterhaufen gezerrt.
»Und nun du, du tapferer, kleiner Ganymed des Gotteslästerers, du, du schamloser, eigensinniger Cherub.«
»Nein!« Ich stemmte die Fersen in den Boden. Das war unvorstellbar. Ich konnte so nicht sterben, ich konnte nicht ins Feuer gehen. Wie wahnsinnig, redete ich mit mir selbst: Aber du hast doch deine Brüder genauso sterben sehen, warum nicht du selbst? Und doch konnte ich diese Möglichkeit einfach nicht akzeptieren, nein, nicht ich, ich war unsterblich, nein!
»Ja, du! Und das Feuer wird dich ebenso rösten, wie es deine Freunde geröstet hat. Kannst du ihr Fleisch riechen? Riechst du ihre verbrannten Knochen?«
Mit ihren mächtigen Händen warfen sie mich hoch in die Luft, so hoch, dass die Luft sich in meinen Haaren fing, und im Fallen schaute ich hinunter in das Feuer. Dann schlug mir seine vernichtende Glut entgegen, versengte mir Gesicht und Brust und die ausgebreiteten Arme.
Hinab, hinab, hinab in die Hitze des Feuers fiel ich, in das donnernde Geräusch knackenden Holzes und nach mir leckender, orangefarbener Flammen. Dann sterbe ich also!, dachte ich, wenn ich überhaupt etwas dachte, aber ich glaube, dass ich eigentlich nur Panik empfand, und Hingabe, Hingabe an den Schmerz, den wohl unsäglichen Schmerz. Hände grabschten nach mir, brüllende, lodernde Holzscheite verschoben sich unter mir. Sie zerrten mich aus den Flammen, schleiften mich über den Boden, Füße traten auf meine brennenden Kleider, die glimmende Tunika wurde mir vom Körper gerissen. Ich schnappte nach Luft. Mein ganzer Körper schmerzte - der entsetzliche Schmerz verbrannten Fleisches -, und ich hatte nur noch den Wunsch, zu vergehen. Komm, Meister, Marius, wenn es ein Paradies für uns gibt, dann komm zu mir. Ich stellte ihn mir vor, schwarz verbrannt, ein Skelett, und doch streckte er seine Arme aus, um mich aufzunehmen. Jemand ragte über mir auf. Ich lag auf der feuchten Mutter Erde, Gott sei Dank. Von meinen versengten Gliedern, meinem Haar, stieg Rauch auf. Die Gestalt war breitschultrig, groß und trug einen dunklen Umhang.
Sie hob ihre weißen Hände mit den dick hervortretenden Knöcheln und warf die Kapuze zurück, wobei sie eine Mähne glänzend schwarzer Haare enthüllte. Die Augen waren groß, mit glänzendem Weiß und Pupillen wie aus Jett, und die Augenbrauen, wenn auch sehr breit, wölbten sich doch in wunderschönen Bögen über den Augen. Er war ein Vampir, wie auch die anderen, aber er war von unvergleichlicher Schönheit und hatte eine ungeheure Persönlichkeit, als er da auf mich herabsah, als wenn er mehr an mir als an sich selbst interessiert wäre, auch wenn er erwartete, immer alle Augen auf sich gerichtet zu sehen.
Ein dankbares Beben durchfuhr mich, dass er, mit diesen Augen, diesem glatten Mund mit dem vollkommenen Amorbogen, doch von einer Art menschlicher Vernunft beseelt wäre.
»Willst du Gott dienen?«, fragte er. Seine Stimme war kultiviert und sanft, und seine Augen zeigten keinen Spott. »Antworte mir, willst du Gott dienen? Denn wenn nicht, dann wirst du wieder ins Feuer geworfen.«
Mir taten sämtliche Knochen weh. Ich konnte an nichts denken, außer dass seine Worte von Unmöglichem sprachen,
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