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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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mühen. Aber Marius diente dem Teufel ohne Rücksicht auf die Wünsche Gottes und auf die Gnaden, die Er uns versprach, dass wir nämlich hier im irdischen Schattenreich regieren dürfen, anstatt in den Flammen der Hölle zu brennen.«
    »Ah«, flüsterte ich. »Ich sehe, was für eine verdrehte Philosophie ihr habt.«
    Die Ermahnung darauf blieb aus.
    Nach und nach begannen meine Augen sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, obwohl ich es vorgezogen hätte, nur die Stimme zu hören. In der Höhlung über mir waren Schädel in die Erde gedrückt worden, ausgebleicht und von Staub bedeckt formten sie, von Mörtel zusammengehalten, ein Deckengewölbe wie von weißen Muschelschalen. Schalen für das Gehirn, dachte ich, denn was ist von ihnen übrig, außer der Kuppel, die das Gehirn schützte, und den runden schwarzen Löchern, die einst die Augen beherbergten, die lebhaft wie Tänzer und immer aufmerksam dem sicher umhüllten Geist die Schönheiten der Welt darboten.
    Nur Schädel, eine Kuppel aus Schädeln, und wo die Kuppel in die Wände überging, hatte man ringsum einen Streifen aus Schenkelknochen eingefügt, und darunter unregelmäßig ohne erkennbares Muster die restlichen Knochen des menschlichen Körpers, wie man Steine in den Mörtel presst, um eine Mauer zu errichten. Nur Gebeine, das ganze Gewölbe, und erhellt von Kerzen. Ja, ich konnte sie riechen, reines, feines Bienenwachs, wie für die Reichen. »Nein«, ertönte die Stimme wieder, nachdenklich, »eher wie für die Kirche, denn dies ist ein Haus Gottes, obwohl der Teufel unser Abt ist, der Gründungsheilige unseres Ordens.
    Also, warum kein Bienenwachs?
    Ich überlasse es dir, einem eitlen, weltlichen Venezianer, das als Luxus zu betrachten, es mit dem Reichtum zu verwechseln, in dem du dich gesuhlt hast wie das Schwein im Schlamm.«
    Ich lachte leise. »Ich möchte mehr von dieser idiotischen Logik hören, die du so großzügig verstreust«, sagte ich. »Betätige dich als Thomas von Aquin für den Teufel. Sprich weiter.«
    »Verhöhne mich nicht«, sagte er bittend und schien es ehrlich zu meinen. »Ich habe dich vor dem Feuer bewahrt.«
    »Wenn du es nicht getan hättest, wäre ich jetzt wenigstens tot.«
    »Du willst brennen?«
    »Nein, nicht derart leiden, das nicht, ich kann nicht einmal den Gedanken ertragen, dass ich oder sonst jemand derart leiden sollte. Aber sterben, ja.«
    »Und was glaubst du, wohin du gehst, wenn du stirbst? Ist das Höllenfeuer nicht um fünfzig mal heißer als der Scheiterhaufen, den wir für dich und deine Freunde entzündet haben? Du bist ein Kind der Hölle, warst es von dem Moment an, als der gotteslästerliche Marius dir unser Blut einflößte. Dieses Urteil kann nicht aufgehoben werden. Du wirst von verfluchtem Blut am Leben gehalten, von widernatürlichem Blut, das Satan erfreut, und Gott erfreut es nur, weil er Satan braucht, um uns das Gute kundzutun. Und damit die Menschen zwischen Gut und Böse wählen können.«
    Ich lachte wieder, aber möglichst respektvoll. »Ihr seid so viele«, sagte ich. Ich wandte den Kopf ab, weil die zahllosen Kerzen mich blendeten, wenn auch nicht unangenehm. Es war, als seien die tanzenden Flämmchen an den Dochten von anderer Art als die Flammen, die meine Brüder verzehrt hatten.
    »Waren sie denn deine Brüder, diese verzogenen, gehätschelten Sterblichen?«, fragte er mit unerschütterlicher Stimme. »Glaubst du eigentlich den ganzen Mist, den du da von dir gibst?«, fragte ich, indem ich seinen Tonfall nachäffte.
    Nun lachte er, ein dezentes Lachen, leise, als wären wir in der Kirche und tuschelten über den absurden Inhalt einer Predigt. Aber hier gab es nicht das heilige Sakrament wie in einer geweihten Kirche, also was sollte das Flüstern?
    »Mein Lieber«, sagte er, »es wäre so einfach, dich zu foltern, dir deinen hochnäsigen Verstand zu verdrehen, bis du nur noch aus wilden Schreien bestehst. Es wäre eine Kleinigkeit, dich einzumauern, damit uns dein Schreien nicht zu sehr stört, sondern nur eine angenehme Begleitmusik zu unseren nächtlichen Meditationen ist. Aber ich finde kein Gefallen an so etwas. Darum diene ich dem Teufel so gut - ich habe nie Gefallen an Grausamkeiten und Bosheit finden können. Ich verachte beides. Und wäre es mir möglich, ein Kruzifix anschauen, dann würde ich bei dem Anblick weinen, so wie ich bei seinem Anblick weinte, als ich noch sterblich war.«
    Ich hielt die Augen geschlossen, ließ die tanzenden Flammen unbeachtet, die die

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