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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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soll. Deine Erfahrung muss mir jetzt weiterhelfen. Ist es noch nicht genug? Darf ich jetzt weiter erzählen? Ich möchte gern Sybelles Spiel hören. Ich möchte über meine geliebten Retter sprechen. Ich habe keine Vorstellung von den Proportionen meiner Geschichte. Ich weiß nur, dass ich bereit bin … ich habe die Seufzerbrücke überquert.
    Ach, aber es ist meine eigene Entscheidung, ja, und du wartest ab, was ich zu sagen habe.
    Nun, dann will ich mich jetzt auf den Weg machen - zum Schweißtuch der Veronika, auf den Weg zum Antlitz Christi, als stiege ich im verschneiten Winter einen steilen Hügel hinauf nach Podil, zu den geborstenen Türmen Kiews, um im Höhlenkloster die Farben und das Holzpaneel zu suchen, auf dem es vor meinen Augen seine Form annimmt: Sein Antlitz. Christus, ja, der Erlöser, der leibhaftige Gott, wieder einmal.

 
     

     
     
     
     
     
Teil 3
Appassionata

17
     
    I ch wollte nicht zu ihm gehen. Es war Winter, und ich fühlte mich in London ganz wohl, denn ich spukte in den Theatern herum und sah mir Shakespeares Stücke an, und nächtelang las ich seine Dramen und Sonette. Ich hatte zu dem Zeitpunkt nur Shakespeare im Kopf. Lestat hatte mich darauf gebracht. Und als ich wieder einmal bis zum Hals in Verzweiflung steckte, begann ich zu lesen.
    Aber Lestat rief mich. Lestat hatte Angst, das behauptete er wenigstens.
    Ich musste also hin. Das l etzte Mal, als er in der Klemme steckte, hatte ich nicht die Freiheit, zu seiner Rettung zu eilen. Dazu gibt es auch eine Geschichte, aber die ist bei weitem nicht so wichtig wie die, bei der ich nun angelangt bin.
    Ich wusste zwar, dass meine so schwer erarbeitete Seelenruhe durch den Kontakt mit Lestat zerstört werden konnte, aber er hätte mich gern bei sich gehabt, also machte ich mich auf den Weg. Ich fand ihn in New York - er wusste nicht, dass ich da war, und wenn, hätte er mich in keinen fürchterlicheren Schneesturm schicken können. In jener Nacht tötete er einen Sterblichen, ein Opfer, in das er sich verliebt hatte, wie es ihm zu der Zeit häufiger passierte. Er suchte sich Berühmtheiten der kriminellen Szene oder grausame Mörder heraus und verfolgte sie unablässig, bis er sie eines Nachts zu seinem Festmahl machte.
    Also, was will er von mir?, fragte ich mich. Du warst auch da, David. Du konntest ihm helfen. Dachte ich wenigstens. Da du sein Zögling warst, konntest du seine Hilferufe nicht hören, aber irgendwie hatte er sie dir doch übermittelt, und ihr beide, zwei so gediegene Gentlemen, setztet euch zusammen und diskutiertet gedämpft und in hochgestochenen Ausdrücken über seine neuesten Befürchtungen. Als ich ihn das nächste Mal einholte, war er in New Orleans. Und machte mir gegenüber keine Umschweife: Du warst bei ihm. Der Teufel hatte ihn in der Gestalt eines irdischen Mannes besucht. Der Teufel konnte seine Gestalt verändern, war im einen Moment ein Grauen erregendes, entsetzliches Etwas mit Flügeln und behurten Füßen und im nächsten ein ganz gewöhnlicher Mann. Lestat war völlig aus dem Häuschen. Der Teufel hatte ihm ein fürchterliches Angebot gemacht, nämlich, dass er. Lestat, ihn im Dienste Gottes unterstützen sollte.
    Erinnerst du dich, wie ruhig ich diese Geschichte aufnahm, seine Fragen, seine Bitten um Rat? Oh, ich habe ihm ganz klar gesagt, dass es Wahnsinn sei, diesem Geist zu folgen oder zu glauben, dass ein nicht körperliches Wesen sich verpflichtet fühlte, ihm die Wahrheit zu sagen.
    Aber erst jetzt weißt du, welche Wunden er mit dieser seltsamen, wundersamen Geschichte bei mir aufriss. Also würde ihn der Teufel zum höllischen Helfer und dadurch zum Diener Gottes machen? Ich hätte laut auflachen können, oder auch weinen, und schleuderte ihm ins Gesicht, dass ich mich einst selbst für einen Heiligen des Bösen gehalten hatte, als ich in meinen Lumpen vor Kälte zitternd meine Opfer durch den Pariser Winter verfolgte, und alles zur Ehre und Herrlichkeit Gottes.
    Aber er wusste dies ja alles. Es gab keinen Grund, ihm noch weitere Kränkungen zuzufügen, ihn aus dem Scheinwerferlicht seiner eigenen Erzählung zu verdrängen, welches Lestat als der strahlende Star, der er ist, immer braucht.
    Unter moosbewachsenen, alten Eichen unterhielten wir uns ganz kultiviert. Du, David, und ich, wir baten ihn, vorsichtig zu sein. Natürlich überhörte er alles, was wir sagten. Das hing mit der entzückenden Sterblichen, Dora, zusammen, die damals in eben diesem Kloster hier lebte, zwischen diesen

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