Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
Ziegelmauern. Sie war die Tochter des Mannes, den Lestat verfolgt und ausgesaugt hatte. Als er uns das Versprechen abnahm, auf sie aufzupassen, verärgerte mich das, aber nur ein wenig. Ich habe mich schließlich auch schon in Sterbliche verliebt. Auch ich kann davon erzählen. Im Augenblick bin ich in Benji und Sybelle verliebt, bezeichne sie als meine Kinder, und ich habe in düsterer Vergangenheit auch andere Sterbliche heimlich verehrt.
    Nun, er war also in Dora verliebt, er hatte seinen Kopf an eine sterbliche Brust gebettet, er verlangte nach dem Blut ihres Leibes, das sie ihm ohne Schaden für sich selbst geben konnte, er war hingerissen, verrückt, der Geist ihres Vaters hatte ihn aufgestachelt, und der Fürst des Bösen persönlich umwarb ihn.
    Und sie, was soll ich über sie sagen? Dass sie die Macht eines Rasputin hinter dem Gesicht einer Novizin verbarg, dass sie in Wirklichkeit eine geübte Theologin war und keine Mystikerin, eine pathetische, feurige Anführerin und keine Visionärin? Ihre religiösen Ambitionen hätten die eines Petrus und Paulus auf ein Nichts schrumpfen lassen. Und dazu kommt, dass sie natürlich wie jede Blume ist, die Lestat aus dem wilden Garten seiner Welt pflückt: ein reizendes, einnehmendes Geschöpfchen, ein herrliches Exemplar der göttlichen Schöpfung -mit rabenschwarzem Haar, einem Schmollmund, Porzellanwangen und dem Körper einer Nymphe.
    Ich kannte natürlich den genauen Augenblick, in dem er diese Welt verließ. Ich spürte es. Ich war schon in New York angekommen, war ihm auch ziemlich nahe und wusste, dass du ebenfalls dort warst. Beide hatten wir ihn möglichst nicht aus den Augen lassen wollen. Dann kam der Moment, als er im Schneesturm verschwand. Du, David, konntest gar nicht wissen, wie vollständig er den kleinsten Materiepartikeln entzogen worden war, von denen sonst sein Herzschlag widerhallte. Ich wusste es, und ich glaube, mein Vorschlag, dieses verletzte Menschenkind aufzusuchen, entsprang dem Wunsch, uns davon abzulenken. Für Dora muss der Tod ihres Vaters durch die Hand eines blonden, gut aussehenden, Blut saufenden Ungeheuers niederschmetternd gewesen sein. Noch dazu machte dieses Monster sie zu seiner Vertrauten und Freundin.
    Es war nicht schwer, ihr in der kurzen, ereignisreichen Nacht, die folgte, behilflich zu sein. Ein Schrecken folgte dem anderen, der Mord ihres Vaters war entdeckt, sein Gangsterleben weltweit in den Medien breitgetreten.
    Es scheint vor einem Jahrhundert gewesen zu sein und nicht erst vor kurzem, dass wir das Vermächtnis ihres Vaters in Richtung Süden verfrachteten, hierher in diese Räume, und ich hantierte mit den Bildern des Gekreuzigten, mit den Statuen und Ikonen so kalt, als hätte ich derartige Kostbarkeiten nie geliebt.
    Es scheint ein Jahrhundert her zu sein, dass ich mich für sie anständig kleidete, dass ich in einer schicken Fifth-Avenue-Boutique ein ansehnliches langes Jackett aus altem, rotem Samt und ein Hemd aus steifer Baumwolle mit flatternden Spitzen erwarb, und dazu als Kontrast enge, schwarze Hosen und glänzende, schnallengeschmückte Stiefel, und all das nur, um sie zu begleiten, als sie den abgetrennten Kopf ihres Vaters im Neonlicht des riesigen, überfüllten Leichenschauhauses identifizieren musste.
    Ein Gutes hat dieses letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, nämlich, dass man als Mann, gleichgültig welchen Alters, sein Haar so lang tragen kann, wie man will.
    Es scheint ein Jahrhundert her zu sein, dass ich meines gründlich und sauber ausgekämmt in voller lockiger Länge trug. Es scheint auch ein Jahrhundert her zu sein, dass wir so getreu an ihrer Seite standen, sie sogar stützten, diese kleine Hexe mit dem langen Schwanenhals und den kurz geschorenen Haaren, und sie tatsächlich in den Armen hielten, als sie über den Tod ihres Vaters weinte und uns mit fiebrigen, wahnsinnig intellektuellen und leidenschaftslosen Fragen über unsere unheimliche Natur bombardierte, als könnte ein Crash-Kurs in Vampir-Anatomie irgendwie den Kreis des Schreckens schließen, der für ihr Wohlbefinden und ihre geistige Gesundheit zur Bedrohung wurde, und könnte vielleicht ihren sündigen, gewissenlosen Vater zurückbringen.
    Nein, eigentlich war es nicht Rogers Rückkehr, worum sie betete, sie glaubte zu tief an Gottes Allwissen und Gnade. Außerdem versetzte es einem schon einen kleinen Schock, den abgetrennten Kopf eines Menschen zu sehen, selbst wenn er tiefgefroren ist. Zu allem Überfluss hatte ein Hund

Weitere Kostenlose Bücher