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Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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wissen, was aus Armand wird! Dass ich ewig leben kann, ach, wie sehr ich das schätze! Ich kann nicht so tun, als wäre ich noch der Sterbliche, der sich Lestat verweigerte. Ich kann nicht die Zeit zurückdrehen und die mangelnde Vorstellungskraft meiner damaligen Persönlichkeit für mich beanspruchen.«
    Als ich mich umwandte, schien das Zimmer in wildem Rhythmus zu pulsieren, alle Farben schienen miteinander zu verschmelzen, als ob die gesamte Materie der Dinge, ja, selbst die Luft, vom Geiste Monets infiziert wäre. Alle Gegenstände im Raum wirkten willkürlich und symbolisch. Und jenseits des Raums lagen die Wildheit der Nacht - Lestats Wilder Garten und planlose, unerreichbare Sterne.
    Was Louis anging, nun, er war so fasziniert, wie es nur ihm möglich ist, nachgiebig wie selten ein Mann, in welche Form oder Gestalt der männliche Geist sich auch hüllen mag. »Ihr besitzt alle so viel Kraft«, sagte er traurig, sein Tonfall leise und ehrfürchtig. »So viel Kraft habt ihr …«
    »Aber wir werden diesen Eid schwören, alter Freund - was Merrick angeht«, sagte ich. »Irgendwann wird Merrick nach diesem, unserem magischen Blut verlangen und wird uns Selbstsucht vorwerfen, weil wir sie um die Ausübung ihrer Magie gebeten haben und ihr unsere verweigern.« Louis schien den Tränen nahe.
    »Unterschätze sie nicht, David«, sagte er heiser. »Vielleicht ist sie auf ihre Art ebenso unbesiegbar wie du damals. Vielleicht stehen uns mit ihr noch ein paar unerwartete Schocks bevor.«
    »Habe ich dich mit dem, was ich erzählte, zu dieser Annahme verleitet?«, fragte ich.
    »Du hast mir Merrick sehr eindrucksvoll und ausführlich geschildert«, antwortete er. »Denkst du, sie weiß nichts von meinem Elend? Sie wird es spüren, wenn ich sie treffe, denkst du nicht?« Er zögerte, dann fuhr er fort: »Sie wird unser Leben nicht teilen wollen. Warum sollte sie, wenn sie imstande ist, vor anderen Menschen als geistige Projektion zu erscheinen? Wenn sie durch eine Jademaske schauen und den Geist ihrer Schwester sehen kann? Aus all deinen Worten habe ich den Schluss gezogen, dass sie nicht besonders darauf bedacht sein wird, den ägyptischen Sand nicht mehr im hellen Licht des Tages zu sehen.« Ich lächelte. Ich konnte es nicht unterdrücken. Ich glaubte, dass Louis sich ganz und gar irrte. »Ich weiß nicht, alter Freund«, sagte ich, bemüht, höflich zu bleiben, »ich weiß es einfach nicht. Ich weiß nur, dass ich mich unserem traurigen Vorhaben verschrieben habe. Und dass alles, was ich mir so bewusst in Erinnerung gerufen habe, mich weder gelehrt hat, argwöhnisch zu sein, noch freundlich.«
    Louis erhob sich langsam und lautlos aus seinem Sessel und ging zur Tür. Ich merkte, dass es Zeit für ihn war, seinen Sarg aufzusuchen, und ich würde in Kürze das Gleiche tun. Ich folgte ihm, und gemeinsam verließen wir das Stadthaus, gingen die eisernen Stufen hinab, durch den nassen Garten und hinaus durch das Tor. Ich sah wahrhaftig für eine Sekunde die schwarze Katze oben auf der rückwärtigen Mauer hocken, aber ich sagte nichts, sondern befand, dass Katzen in New Orleans nichts Besonderes waren und ich einfach ein bisschen töricht sei. Endlich war es so weit, wir mussten uns trennen. »Ich werde die nächsten Abende bei Lestat verbringen«, sagte Louis ruhig. »Ich will ihm vorlesen. Er reagiert nicht darauf, aber er hält mich auch nicht davon ab. Du weißt, wo du mich findest, wenn Merrick zurückkehrt.«
    »Sagt er nie etwas?«, fragte ich.
    »Manchmal spricht er ein paar Worte. Er bittet mich, Mozart aufzulegen oder ihm alte Gedichte vorzulesen. Aber im Großen und Ganzen ist er unverändert so, wie du ihn kennst.« Louis machte eine Pause, dann blickte er zum Himmel auf. »Ich glaube, ich möchte, ehe Merrick zurückkehrt, ein paar Nächte mit ihm allein sein.« Sein Ton klang endgültig und so traurig, dass es mich bis ins Innerste traf. Er wollte sich von Lestat verabschieden, genau darum ging es ihm, und ich wusste gleichzeitig, dass Lestats Schlummer so tief und so kummerbeladen war, dass selbst diese schreckliche Botschaft von Louis ihn nicht aufzustören vermochte. Ich sah Louis nach, wie er vor dem heller werdenden Himmel davonschritt. Ich hörte frühe Vögel singen. Ich dachte an Merrick und hatte Verlangen nach ihr, ein Verlangen, wie ein sterblicher Mann es haben würde. Und der Vampir in mir wollte ihre Seele leer saugen, wollte sie auf ewig für sich bewahren, damit ich sie in Ewigkeit für mich

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