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Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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bis er das Verbrechen gestand.
    Allerdings wurde er als unzurechnungsfähig eingestuft. »Die Behörden haben davon in Kenntnis gesetzt, dass der Bursche zu Tode erschreckt ist«, schrieb Aaron. »Er behauptet, dass er von einem Geist verfolgt wird und dass er alles tun würde, um seine Schuld wieder gutzumachen. Er bettelt um bewusstseinstrübende Medikamente. Ich bin sicher, er wird in einer psychia trischen Anstalt untergebracht, trotz der Bösartigkeit seiner Ta ten.«
    Natürlich wurde auch Merrick von dieser Geschichte unterrichtet. Aaron schickte ihr einen Stapel Zeitungsausschnitte und die Gerichtsakten, soweit er Zugriff darauf hatte. Aber zu meiner großen Erleichterung wollte Merrick nicht in der Angelegenheit nach Louisiana fahren.
    »Ich halte eine Gegenüberstellung nicht für nötig«, schrieb sie mir. »Nach dem, was Aaron erzählt hat, bin ich sicher, dass die Gerechtigkeit ihren Lauf nahm.«
    Kaum zwei Wochen später teilte Aaron mir in einem Brief mit, dass der Mörder von Cold Sandra und Honey von eigener Hand gestorben war.
    Ich rief Aaron sofort an. »Hast du das Merrick gesagt?«, fragte ich. Nach einer langen Pause erwiderte er sehr ruhig: »Ich habe den Verdacht, dass sie es weiß.«
    »Wie in aller Welt meinst du das?«, fragte ich sofort. Aarons diskrete Zurückhaltung konnte ich überhaupt nicht leiden. Aber dieses Mal würde er mich nicht im Dunkeln lassen. »Der Geist, der diesem Burschen auf den Fersen war«, berichtete Aaron schließlich, »war eine große Frau mit dunklen Haaren und grünen Augen. Das stimmt ja nun gar nicht mit den Bildern überein, die wir von Sandra und Honey haben, oder?« Ich sagte, nein, wirklich nicht.
    »Nun, jetzt ist er tot, der armselige Narr«, stellte Aaron fest.
    »Und vielleicht kann Merrick nun in Frieden ihre Arbeit fortsetzen.« Und genau das tat sie auch: in Frieden ihre Arbeit fortsetzen. Und nun bin ich nach all den Jahren zu ihr zurückgekehrt und habe sie gebeten, für mich und für Louis die Seele des toten Kindes Claudia zu beschwören.
    Ich habe sie in beredten Worten darum gebeten, ihre Zauberkräfte einzusetzen, was sicherlich auch bedeuten könnte, die Maske zu nutzen. Sie befindet sich dort, wo sie immer war: in Oak Haven, in Merricks Besitz - die Maske, durch die sie die zwischen Leben und Tod schwebenden Seelen sehen konnte. Ich habe Louis’ Bitte ausgesprochen, ich, der ich doch genau weiß, wie sehr Merrick gelitten hat und welch gutes und glückliches Geschöpf sie sein könnte - und ist.

16
    Eine Stunde vor Tagesanbruch hatte ich meine Geschichte beendet. Die ganze Zeit über hatte Louis mir schweigend gelauscht. Ohne eine Frage, ohne auch nur eine ablenkende Bemerkung zu machen, hatte er meine Worte in sich aufgenommen. Aus Achtung mir gegenüber blieb er still, doch auf seinem Gesicht malte sich eine ganze Skala von Gefühlen ab. Seine dunkelgrünen Augen ließen mich an Merrick denken, und für einen kurzen Moment erfüllte mich ein solches Verlangen nach ihr, war ich so ent setzt über das, was ich getan hatte, dass ich nicht sprechen konnte. Endlich sprach Louis genau die Wahrnehmungen und Gefühle aus, die mich gerade übermannten. »Mir war bisher nicht klar«, sagte er, »wie sehr du diese Frau liebst. Und mir war nicht klar, wie sehr wir beide uns unterscheiden.«
    »Ja, ich liebe sie, und vielleicht habe ich selbst nicht erkannt, wie sehr, bis ich dir diese alten Geschichten erzählte. Erst dadurch ist es mir selbst klar geworden. Erst das hat meine Erinnerungen seit langem wieder aufleben lassen. Und so habe ich meine Vereinigung mit ihr noch einmal durchlebt. Doch erkläre mir, warum du glaubst, dass du und ich so verschieden sind.«
    »Du verfügst über Weisheit«, sagte er, »über eine Weisheit, wie nur ein alter Mensch sie besitzt. Du hast erfahren, wie es ist, als Mensch alt zu sein. Kein anderer von uns hat das selbst erlebt. Nicht einmal unsere erhabene Mutter, Maharet, hat die Hinfälligkeit des Alters ertragen müssen, ehe sie zu einem Vampir wurde. Und Lestat hat es bestimmt nie erfahren, wenn er auch noch so schlimme und häufige Verletzungen davongetragen hat. Und ich? Ich bin schon viel zu lange jung.«
    »Verurteile dich nicht deswegen. Meinst du, es sei dem Menschen zwangsläufig bestimmt, die Bitterkeit und Einsamkeit zu ertragen, die ich in meinen letzten Jahren als Sterblicher erlebt habe? Ich glaube das nicht. Wie alle Geschöpfe wurden wir geschaffen, bis zur Hochblüte unserer irdischen Tage zu

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