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Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Zimmer traten. Ich wollte gerade auf die Sache mit ihrer bösartigen Zauberei zu sprechen kommen, da ließ mich etwas innehalten. Es war, schlicht gesagt, ihr Gesichtsausdruck, als ihr Blick auf Louis fiel, der in den Lichtkreis der Lampe trat.
    Obwohl ihre Haltung wie stets Gelassenheit und Klugheit ausdrückte, veränderte sich ihre Miene völlig. Zu meiner Überraschung erhob sich Merrick und schritt ihm entgegen, und offensichtlich war sie so erschüttert, dass ihr Gesichtsausdruck ganz weich und verletzlich wurde.
    Erst da fiel mir auf, wie sorgfältig Louis sich in einen elegant geschnittenen Anzug aus leichter schwarzer Wolle gekleidet hatte. Über einem Hemd aus cremefarbener Seide trug er eine rosenrote Krawatte, die mit einer schmalen goldenen Nadel gehalten wurde. Selbst seine Schuhe waren vollkommen, denn er hatte sie auf Hochglanz poliert, und sein volles schwarzes Lockenhaar war sorgfältig frisiert. Aber das Prachtvollste an seiner Erscheinung waren natürlich seine scharf geschnittenen Züge und seine glänzenden Augen. Ich muss wohl nicht wiederholen, dass seine Augen dunkelgrün sind, denn nicht so sehr die Augenfarbe war das Interessante, sondern eher der Ausdruck darin, mit dem er Merrick ansah, die sichtliche Ehrfurcht, die ihn erfasste, und die Art, wie er vor Staunen langsam den Mund öffnete. Er hatte Merrick schon mal gesehen, ja, aber er hatte nicht damit gerechnet, dass sie so interessant und gleichzeitig so schön war. Und tatsächlich, mit ihrem langen Haar, das straff zurückgekämmt von der Lederspange gehalten wurde, und in ihrem weißen Seidenkleid mit den betonten Schultern, dem schmalen Stoffgürtel um die Taille und dem weiten, schimmernden Rock sah sie ausgesprochen verlockend aus. Um den Hals hatte sie eine Perlenkette gelegt, eben jenes dreireihige Collier, das ich ihr einst geschenkt hatte. Auch die Ohren waren mit Perlen geschmückt, und am Finger ihrer rechten Hand steckte ein Ring mit einer großen Perle. Ich gebe diese Einzelheiten hier wieder, weil ich auf diese Weise versuche, eine gewisse Normalität vorzutäuschen. Was mir jedoch in dem Moment wirklich widerfuhr, was mich demütigte und mich wütend machte, war die Tatsache, dass die beiden voneinander so beeindruckt waren, dass ich für sie überhaupt nicht existierte.
    Die Faszination, mit der sie Louis anstarrte, war unleugbar. Und es gab nicht den mindesten Zweifel daran, dass sie ihrerseits ihm ehrfürchtige Bewunderung einflößte.
    »Merrick, mein Liebling«, sagte ich leise, »ich möchte dir Louis vorstellen.« Aber ich hätte genauso gut wirres Geschwätz von mir geben können. Sie hörte nicht eine Silbe. Sie stand in stummer Verzückung, und ihr Gesicht trug einen aufreizenden Ausdruck, wie ich ihn bisher nur gesehen hatte, wenn sie mich anschaute. Rasch griff sie nach Louis’ Hand, in dem offensichtlichen Bemühen, ihre extreme Reaktion auf ihn zu verbergen. Mit dem typischen Widerstreben eines Vampirs nahm er ihre Hand, und dann war ich völlig konsterniert, weil er sich niederbeugte und sie küsste - nicht auf die Hand, die er so fest umklammerte -, sondern auf ihre reizenden Wangen. Warum um alles in der Welt hatte ich das nicht vorhergesehen? Warum hatte ich angenommen, dass sie ihn nur als ein unnahbares Wunder sehen würde? Warum war mir nicht klar gewesen, dass ich eines der bezauberndsten Wesen meiner Bekanntschaft zu ihr bringen würde? Ich kam mir wie ein Dummkopf vor, weil ich das nicht vorhergesehen hatte, und mindestens ebenso dumm kam ich mir vor, weil es mir so viel ausmachte.
    Da sich Louis in den Sessel unmittelbar neben Merrick setzte und sie ihm ihre ganze Aufmerksamkeit schenkte, suchte ich mir einen Platz auf einem Sofa ihnen gegenüber an der anderen Zimmerwand. Sie löste ihre Augen keine Sekunde lang von ihm, und dann hörte ich seine Stimme mit dem französischen Akzent, leise und voll tönend spiegelte sie wie immer all seine Gefühle. »Sie wissen, warum ich hergekommen bin, Merrick«, sagte er so zärtlich sanft, als ob er ihr seine Liebe gestände. »Ich leide Qualen, weil ich nur an ein Wesen denke, ein Geschöpf, das ich einst hinterging und dann hegte und pflegte und schließlich verlor. Ich bin hergekommen, weil ich glaube, dass Sie den Geist dieses Geschöpfs dazu bringen können, mit mir zu sprechen. Ich bin hergekommen, weil ich glaube, dass ich mich durch Sie überzeugen kann, ob dieser Geist seinen Frieden gefunden hat.« Merrick antwortete ihm, ohne zu zögern. »Aber

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