Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
etwas Furchterregendes, wenn ich mir auch nicht sicher war, ob beabsichtigt.
    »Ich sehe, du bist gekommen, um unsere Diskussion fortzusetzen«, sagte Merrick. »Aber für mich gibt es keine Diskussion mehr, David. Ich muss die Reise antreten, und zwar unverzüglich.«
    »Davon bin ich nicht überzeugt. Du weißt sehr gut, dass ich dich nicht ohne Unterstützung der Talamasca in diese Gegend fahren lasse, aber ich möchte einfach verstehen -«
    »Onkel Vervain wird mir keine Ruhe lassen«, sagte sie ruhig, ihre Augen wach und weit, ihr Gesicht ein dunkler Fleck vor dem gedämpften Licht des Korridors. »Diese Träume sind schuld, David. Um ehrlich zu sein, sie kommen schon seit Jahren, aber nie so schlimm und so häufig wie jetzt. Vielleicht wollte ich sie die ganze Zeit einfach nicht beachten. Vielleicht habe ich, sogar im Traum selbst, so getan, als verstünde ich sie nicht.«
    Ich fand, Merrick war in Wirklichkeit noch dreimal anziehender als in meiner Erinnerung. Ihr schlichtes violettes Baumwollkleid mit der eng geschnürten Taille bedeckte kaum die Knie. Ihre Beine waren schlank und wunderbar geformt. Die Zehennägel an den nackten Füßen hatte sie passend zum Kleid leuchtend violett lackiert.
    »Seit wann kommen die Träume häufiger?«
    »Seit dem Frühling«, sagte sie ein wenig matt. »Oder direkt nach Weihnachten. Ich weiß es nicht mal genau. Wir hatten einen strengen Winter. Vielleicht hat Aaron dir davon erzählt. Es gab sehr starken Frost. Die schönen Bananenstauden waren alle erfroren. Natürlich trieben sie gleich wieder aus, als das warme Frühlingswetter einsetzte. Hast du sie da draußen bemerkt?«
    »Nein, tut mir Leid, Liebes. Verzeih«, sagte ich. Sie fuhr fort, als hätte ich gar nichts gesagt: »Und in der Zeit erschien er mir ganz deutlich. In den Träumen gab es weder Vergangenheit noch Zukunft, nur Onkel Vervain und mich. Wir waren zusammen in diesem Haus, er und ich, und er saß am Esszimmertisch …«, sie wies mit der Hand auf die Diele hinter der offenen Tür, » … und ich war bei ihm. Er bemerkte: ›Mädchen, habe ich dir nicht gesagt, dass du zurückgehen und die anderen Sachen holen musst?‹ Er erzählte eine lange Geschichte über Geister, Furcht erregende Geister, die ihn einen Hang hinuntergestoßen hatten, so dass er sich den Kopf aufschlug. Ich wachte mitten in der Nacht auf und notierte mir sofort alles, woran ich mich erinnern konnte, aber ein Teil war mir einfach entfallen, und vielleicht war das ja beabsichtigt.«
    »Erzähl mir, woran du dich noch erinnerst.«
    »Er sagte, der Urgroßvater seiner Mutter sei derjenige, der von der Höhle wüsste«, fuhr sie fort. »Er sagte, der Alte Mann hätte ihn dorthin mitgenommen, obwohl er selbst Angst vor dem Dschungel hatte. Weißt du, wie viele Jahre das zurückliegt? Er sagte, eine Rückkehr hätte sich nie ergeben. Er kam nach New Orleans und wurde durch Voodoo reich, reich wie man nur dadurch werden kann. Er sagte, je länger du lebst, desto mehr Träume gibst du auf, bis dir nichts mehr bleibt.«
    Ich glaube, angesichts dieser trefflichen, nur zu wahren Worte zuckte ich zusammen.
    »Ich war sieben Jahre, als Onkel Vervain unter diesem Dach starb«, sagte sie. »Der Urgroßvater seiner Mutter war ein brujo bei den Maja. Weißt du, das ist ein Zauberdoktor, eine Art Priester.
    Ich erinnere mich noch genau, dass Onkel Vervain dieses Wort benutzte.«
    »Warum will er, dass du noch einmal dorthin zurückkehrst?«
    Merrick hatte die Augen nicht von dem Altar abgewandt. Ich schaute ebenfalls hinüber und bemerkte, dass auch dort ein Bild von Onkel Vervain stand. Klein, ungerahmt, einfach an die Füße der Jungfrau Maria gelehnt.
    »Um den Schatz zu holen«, sagte sie mit leiser, bedrückter Stimme. »Um ihn hierher zu bringen. Er sagt, es gäbe da etwas, das mein Schicksal verändern wird. Aber ich weiß nicht, was er damit meint.« Sie stieß einen ihrer charakteristischen Seufzer aus.
    »Er scheint der Ansicht zu sein, dass ich dieses Objekt, dieses Ding benötige. Aber was wissen Geister schon?«
    »Was wissen sie denn, Merrick?«, fragte ich sie.
    »Keine Ahnung, David«, antwortete sie heiser. »Ich weiß nur, dass er mich verfolgt. Er will, dass ich diese Dinge hierher bringe.«
    »Du willst es aber doch eigentlich nicht«, sagte ich. »Das merke ich an deinem ganzen Benehmen. Ein Spuk verfolgt dich.«
    »Aber dieser Geist ist sehr stark, David«, sagte sie, während ihre Augen langsam über die Gipsfiguren glitten.

Weitere Kostenlose Bücher