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Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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bist, der ihr Vernunft beibringen kann, wenn sie in dem Zustand ist.«
    »Wie kommst du denn darauf?«, widersprach ich. Aber es stimmte. Manchmal konnte ich Merrick überreden, ihre Trinkorgie abzubrechen. Aber nicht immer.
    Wie auch immer, ich nahm ein Bad, wechselte die Kleider, da das Wetter trotz des Winteranfangs ungewöhnlich mild war, und machte mich dann in einem leichten abendlichen Regenschauer mit Wagen und Chauffeur auf zu Merricks Haus. Es war dunkel, als ich dort ankam, trotzdem konnte ich sehen, dass das Viertel noch viel stärker heruntergekommen war, als ich je vermutet hätte. Es sah aus, als hätte dort ein Krieg gewütet und die Überlebenden gezwungen, inmitten elender Holztrümmer zu leben, die langsam in den riesigen Unkrautwäldern versanken.
    Hier und da stand noch ein gepflegtes Häuschen mit glänzendem Anstrich und schnörkeligen Verzierungen unter dem Giebel Doch durch vergitterte Fenster drang trübes Licht. Üppig wucherndes Grün machte sich gierig über leer stehende kleine Villen her. Die Gegend war verwahrlost und offensichtlich auch gefähr lich.
    Ich hatte das Gefühl, als lungerten irgendwelche Leute in der Dunkelheit herum. Ich verspürte Furcht, ein Gefühl, das ich verabscheute, weil ich es in meiner Jugend kaum gekannt hatte. Erst das Alter hatte mich gelehrt, Gefahr nicht ständig zu missachten. Doch wie gesagt, ich verabscheute das Gefühl. Ich weiß noch, dass mir der verhasste Gedanke kam, ich sei gar nicht in der Verfassung, Merrick auf ihre verrückte Tour nach Mittelamerika zu begleiten, und es trüge mir im Endeffekt nur eine Demütigung ein.
    Endlich hielt der Wagen vor dem Haus an. Das schöne alte Gebäude in seinem hellen, tropischen Rosa mit den weißen Zierleisten bot einen wunderschönen Anblick, trotz des hohen eisernen Zauns. Daran anschließend zog sich die neue, dicke Mauer sehr hoch um den ganzen Besitz. Hinter den spitzen, eisernen Stäben schirmte ein breites Beet mit blütenübersäten Oleanderbüschen das Haus gewissermaßen vor der verkommenen Umgebung ab.
    Als ich neben dem Hausmeister, der mich empfangen hatte, die Eingangstreppe hinaufstieg, bemerkte ich, dass die hohen, schmalen Fenster ungeachtet der weißen Spitzenstores und Jalousien ebenfalls mit Gittern gesichert waren und dass im ganzen Haus Licht brannte.
    Die Veranda war sauber, die alten, eckigen Pfeiler waren immer noch tragfähig, die Bleiverglasung in den auf Hochglanz polierten Türflügeln funkelte. Dennoch rollte ein ganzer Schwall Erinnerungen über mich hinweg.
    »Sie öffnet einfach nicht auf das Klingeln«, sagte der Hausmeister den ich in meiner Eile kaum beachtete. »Aber die Tür ist nicht abgeschlossen. Ich habe ihr um fünf Uhr etwas zu essen gebracht.«
    »Hatte sie darum gebeten?«, fragte ich.
     
    »Nein, sie hat überhaupt nichts gesagt. Aber gegessen hat sie.
    Um sechs Uhr habe ich das Geschirr wieder hier abgeholt.« Ich öffnete die Tür und stand in der kühlen, komfortablen Diele. Ich sah auf den ersten Blick, dass der alte Salon und das Esszimmer zu meiner Rechten mit prächtigen chinesischen Teppichen in leuchtenden Farben ausgelegt worden waren. Frischer Glanz schimmerte auf den alten Möbeln. Die antiken Spiegel über den Kaminsimsen aus weißem Marmor waren jedoch trüb und dunkel wie früher.
    Im Schlafzimmer an der Frontseite links von mir stand das Bett der Großen Nananne, das nun mit einem cremefarbenen Himmel versehen war. Eine Tagesdecke aus schwerer Häkelspitze lag darüber gebreitet. Vor dem Bett, in einem Schaukelstuhl aus glänzendem Holz, saß Merrick, das Gesicht dem Fenster zugewandt. Unruhiger Lichtschein erhellte ihre nachdenkliche Miene. Auf einem Beistelltischchen neben ihr stand eine Flasche Florde-Cana-Rum. Sie hob das Glas an die Lippen, trank und lehnte sich wie der zurück. Dabei starrte sie unverwandt ins Nichts, als wüsste sie nicht, dass ich da war. Ich blieb auf der Schwelle stehen.
    »Mein Liebes«, sagte ich, »willst du mir keinen Drink anbieten?« Ohne auch nur den Kopf zu drehen, lächelte sie. »Du magst den Rum doch gar nicht pur, David«, sagte sie leise. »Du bist doch Scotch-Trinker, wie mein Stiefvater Matthew. Der Scotch steht im Esszimmer. Wie wär’s mit einem Schluck Highland Macallan? Fünfundzwanzig Jahre alt. Ist das gut genug für meinen geliebten Generaloberst?«
    »Das nehme ich doch an, Gnädigste«, antwortete ich. »Aber lassen wir das erst einmal. Darf ich dein Boudoir betreten?« Sie stieß ein kleines,

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