Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)
Namen näherte, wusste ich, dass sie verflucht ist. Ich reiste im Mondschein durch ein ausgedörrtes und grässliches Tal, und in der Ferne sah ich die Stadt schaurig aus den Dünen ragen, so, wie Leichenteile aus einem hastig geschaufelten Grab ragen mögen. Die zeitzerfressenen Steine dieser altersbleichen Überlebenden der Sintflut, dieser Ururahnin der ältesten der Pyramiden, verhießen Furcht – und eine unsichtbare Aura stieß mich ab und gebot mir, vor diesen uralten und Unheil drohenden Geheimnissen zu fliehen, die kein Mensch je erschauen sollte und die auch kein Mensch außer mir jemals zu erschauen wagte.
Tief im Inneren der Arabischen Wüste liegt die Stadt ohne Namen, verfallen und stumm, ihre niedrigen Mauern beinah versunken im Sand nie gezählter Zeitalter. So muss es bereits gewesen sein, ehe der Grundstein zu Memphis gelegt wurde, und als die Ziegel Babylons noch nicht gebrannt waren. Keine Legende ist alt genug, um ihr einen Namen zu geben oder eine Erinnerung daran zu wahren, dass jemals Leben in ihr herrschte; doch wird an Lagerfeuern über sie geflüstert und von greisen Frauen in den Zelten der Scheichs über sie geraunt, sodass sämtliche Stämme sie meiden, ohne genau zu wissen, weshalb. Dieser Ort war es, von dem Abdul Alhazred, der wahnsinnige Dichter, in den Nächten träumte, ehe er seinen rätselvollen Zweizeiler sang:
Es ist nicht tot, was ewig liegt,
Und in fremder Zeit wird selbst der Tod besiegt.
Ich hätte wissen müssen, dass die Araber guten Grund hatten, diesen Ort zu meiden, jene Stadt ohne Namen, von der seltsame Geschichten erzählt werden, die aber noch nie ein lebender Mensch gesehen hat, und dennoch setzte ich mich darüber hinweg und zog mit meinem Kamel in die unbetretene Öde hinaus. Nur ich allein habe sie gesehen, und deshalb ist kein anderes Gesicht so abscheulich von Angst gezeichnet wie das meine; deshalb zittert kein anderer Mensch so erbärmlich wie ich, wenn der Nachtwind an den Fensterläden rüttelt. Als ich sie in der schrecklichen Stille endlosen Schlafes erreichte, sah sie mir kühl unter den Strahlen eines kalten Mondes inmitten der Wüstenhitze entgegen. Und als ich ihren Blick erwiderte, vergaß ich meinen Triumph über ihre Entdeckung und stieg von meinem Kamel ab, um auf die Morgendämmerung zu warten.
Ich harrte Stunden aus, bis sich der Osten endlich grau färbte und die Sterne verblassten, und das Grau zu einem zartroten Leuchten wurde, umsäumt von Gold. Ich hörte ein Seufzen und sah, wie ein Sandsturm zwischen den uralten Steinen aufstieg, wenngleich der Himmel klar war und der endlose Wüstenraum ruhig. Dann erhob sich unvermittelt der grelle Rand der Sonne über dem fernen Horizont der Wüste, flirrend hinter dem kleinen, davonziehenden Sandsturm, und in meinem fiebrigen Zustand glaubte ich, aus irgendeiner unendlichen Tiefe eine Musik metallener Instrumente heraufschallen zu hören, um die glühende Scheibe zu grüßen, so wie Memnon sie von den Ufern des Nils aus begrüßt. Meine Ohren hallten und meine Fantasie stand in Flammen, als ich mein Kamel langsam über den Sand zu dem schweigenden Ort führte; jener Stätte, die von allen lebenden Menschen nur ich allein erblickte.
Ziellos wanderte ich inmitten der formlosen Grundmauern von Häusern und Plätzen umher, ohne auf ein einziges in Stein gemeißeltes Zeugnis oder eine Inschrift zu stoßen, die von den Menschen kündete, die diese Stadt vor so langer Zeit erbaut und bewohnt hatten – falls es denn Menschen waren. Das sagenhafte Alter des Ortes war unerträglich, und ich sehnte mich danach, ein Schriftzeichen oder ein künstlerisches Werk zu finden, die bewiesen, dass diese Stadt tatsächlich von Menschenhand erbaut worden war, denn die Ruinen wiesen gewisse Größenverhältnisse und Ausmaße auf, die mir nicht behagten.
Ich trug eine Menge an Gerätschaften mit mir und führte zahlreiche Ausgrabungen in den verwitterten Bauten durch; doch kam ich nur langsam voran und entdeckte nichts von Belang. Als die Nacht und der Mond wiederkehrten, setzte ein kalter Wind ein, der neue Furcht mit sich brachte, sodass ich es nicht wagte, noch länger in der Stadt zu bleiben. Als ich die alten Mauern verließ, um mich schlafen zu legen, entstand hinter mir ein kleiner, seufzender Sandsturm und fegte über die grauen Steine, obwohl der Mond hell leuchtete und über der Wüste ansonsten alles ruhig lag.
Genau bei Tagesanbruch erwachte ich aus einer Abfolge schrecklicher Träume und meine Ohren
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