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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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vernommen habe, die nicht von dieser Welt seien. In die Länder der Zivilisation kam Nyarlathotep, dunkelhäutig, schlank und finster, und stets erwarb er seltsame Instrumente aus Glas und Metall und setzte diese zu Instrumenten zusammen, die noch seltsamer waren.
    Er sprach viel von den Lehren der Elektrizität und der Psychologie und er gab öffentliche Kostproben seiner Macht, die seine Zuschauer sprachlos zurückließen und dennoch dafür sorgten, dass sein Ruhm ins Unermessliche anwuchs. Die Menschen rieten einander, sich Nyarlathotep anzusehen, und dann erschauderten sie. Und wohin Nyarlathotep auch kam, waren Ruhe und Frieden dahin, denn die frühen Morgenstunden wurden von albtraumhaften Schreien zerrissen. Niemals zuvor hatten die Schreie solcher Angstträume ein offenkundiges Problem dargestellt, doch nun wünschten die weisen Männer geradezu, sie könnten den Schlaf in den frühen Morgenstunden verbieten, damit das grausige Gekreisch der Städte den fahlen, mitleidsvollen Mond nicht mehr stören möge, wenn er auf den unter Brücken hindurchfließenden grünen Gewässern schimmert und auf alten Kirchtürmen, die vor einem blassen Himmel vor sich hin bröckeln.
    Ich erinnere mich daran, als Nyarlathotep in meine Stadt kam – die große, die alte, die abscheuliche Stadt ungezählter Verbrechen. Mein Freund hatte mir von ihm erzählt, von der eindringlichen Faszination und Verlockung seiner Offenbarungen, und ich brannte vor Eifer, seine tiefsten Geheimnisse zu erkunden. Mein Freund sagte, sie seien grausiger und beeindruckender als alles, das ich mir in meinen heftigsten Fieberfantasien auch nur vorzustellen vermag. Was dann in dem verdunkelten Raum auf die Leinwand projiziert wurde, war eine Prophezeiung von Dingen, die außer Nyarlathotep alleine niemand zu verkünden wagte, und im Sprühen seiner Funken wurde von den Menschen das genommen, was nie zuvor von ihnen genommen worden war und sich nur in den Augen offenbarte. Und von überall hörte ich Andeutungen, dass diejenigen, die Nyarlathotep kennen, Dinge erblicken, die für andere unsichtbar bleiben.
    Es war im heißen Herbst, dass ich mit der aufgeregten Menge durch die Nacht zog, um Nyarlathotep zu sehen – durch die stickige Nacht, eine endlose Treppe hinauf in einen Raum, in dem man kaum Luft bekam. Und als Schatten auf der Leinwand sah ich verhüllte Gestalten inmitten von Ruinen, und gelbe, bösartige Gesichter, die hinter umgestürzten Gedenksteinen hervorspähten. Und ich schaute zu, wie die Welt gegen die Finsternis focht, gegen die Wellen der Vernichtung aus dem äußersten Weltraum, wirbelnd, schäumend und kämpfend rund herum um die dunkler werdende, abkühlende Sonne. Dann begann das wundersame Funkenspiel über den Köpfen der Betrachter, und allen standen die Haare zu Berge, weil Schatten, die grotesker waren als ich sie zu beschreiben vermag, hervorströmten und sich auf die Köpfe kauerten. Und als ich, gefasster und mit mehr wissenschaftlichem Interesse als die anderen, etwas zitternd einen Protest murmelte über »Täuschung« und »statische Elektrizität«, jagte Nyarlathotep uns alle hinaus, die schwindelerregenden Stufen hinab auf die feuchten, heißen, einsamen mitternächtlichen Straßen. Ich schrie laut, dass ich keine Angst hätte, dass ich niemals Angst haben werde, und andere schrien zum Trost mit mir. Wir schworen einander, dass die Stadt nach wie vor genau dieselbe sei und immer noch lebendig; und als dann die elektrischen Lichter zu verlöschen begannen, verfluchten wir wieder und wieder die Stromgesellschaft und lachten über die merkwürdigen Grimassen, die wir dabei zogen.
    Ich glaube, wir spürten, dass etwas vom grünlichen Monde herabwirkte, denn als wir uns auf sein Licht verlassen mussten, nahmen wir unwillkürlich Marschformation ein und schienen unser Ziel genau zu kennen, obwohl wir nicht einmal wagten, daran zu denken. Als wir aufs Straßenpflaster hinabschauten, bemerkten wir, dass die Steinplatten lose und vom Gras durchbrochen waren. Es war kaum noch eine rostige Eisenschiene zu finden, die den Verlauf der Straßenbahn anzeigte. Und dann wieder sahen wir einen Straßenbahnwagen, einsam, ohne Fensterscheiben, verfallen, beinahe auf der Seite liegend. Als wir zum Horizont spähten, konnten wir den dritten Turm am Fluss nicht finden, und stellten fest, dass die Silhouette des zweiten Turmes oben an der Spitze zerfetzt war. Wir formierten uns jetzt zu schmalen Gruppen, von denen jede anscheinend in eine

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