Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)
sich einen Bungalow in Pawtuxet kaufte und mit allen wissenschaftlichen Utensilien dorthin übersiedelte.
Am Abend des Tages nahm Charles sich die Zeitung, bevor ein anderes Familienmitglied sie lesen konnte, und zerriss scheinbar durch Unachtsamkeit einige Teile. Später sah Dr. Willett, der das Datum durch die Aussagen mehrerer Mitglieder des Haushaltes ermittelte, ein vollständiges Exemplar im Archiv des Journal ein und fand heraus, dass sich in dem zerstörten Teil folgender kurzer Artikel befunden hatte:
Nächtliche Ruhestörer auf dem
Nordfriedhof überrascht
Robert Hart, der Nachtwächter des Nordfriedhofes, entdeckte heute Morgen auf dem ältesten Teil des Friedhofs eine Gruppe von mehreren Männern mit einem Lastwagen, vertrieb diese aber anscheinend, ehe sie ihr Ziel erreicht hatten.
Die Entdeckung trug sich um vier Uhr morgens zu, als Hart die Motorengeräusche vor seiner Unterkunft vernahm. Als er der Sache nachging, sah er einen großen Lastwagen auf dem Hauptweg in einiger Entfernung, konnte den Wagen aber nicht mehr erreichen, weil seine Schritte auf dem Kies sein Kommen verrieten. Die Männer platzierten eilig eine große Kiste in dem Laster und entkamen auf die Straße. Da keines der Gräber geschändet wurde, geht Hart davon aus, dass es sich bei dieser Kiste um etwas handelte, das die Männer begraben wollten.
Die Männer mussten schon lange vor ihrer Entdeckung am Werk gewesen sein, da Hart in beträchtlicher Entfernung von der Straße ein großes Loch auf dem Amosa Field fand, wo die meisten der alten Grabsteine längst verschwunden sind. Dieses Loch, das in seinen Ausmaßen einem Grab entsprach, war leer. Die Stelle ist in den Unterlagen des Friedhofes nicht als Grabstätte verzeichnet.
Wachtmeister Riley von der Zweiten Polizeiwache untersuchte den Tatort. Er vertritt die Ansicht, das Loch sei von Schmugglern ausgehoben worden, die so geschmacklos wie findig nach einem sicheren Versteck für Branntwein suchten, wo aller Wahrscheinlichkeit nach niemand danach suchen würde. Auf Nachfrage hin sagte Hart aus, er glaube, der Fluchtwagen sei in die Rochambeau Avenue eingebogen, er sei sich dessen aber nicht sicher.
In den nächsten Tagen sah Familie Ward Charles nur selten. Da er seinem Reich im Dachstuhl nun auch sein Schlafzimmer hinzugefügt hatte, blieb er dort ganz für sich und ordnete an, dass die Mahlzeiten vor der Tür abgestellt wurden, die er erst hineinholte, wenn der Diener wieder gegangen war.
Das Dröhnen der monotonen Formeln und das Herunterleiern bizarrer Rhythmen setzte in regelmäßigen Abständen wieder ein, während zu anderen Zeiten Geräusche von klirrendem Glas, zischenden Chemikalien, laufendem Wasser oder brausenden Gasflammen wahrnehmbar waren. Ausdünstungen von ganz unbeschreiblicher Art, die keinen der vorangegangenen glichen, entwichen zuweilen durch die Tür, und die Anspannung, die dem jungen Einsiedler anzusehen war, wenn er einmal kurz zum Vorschein kam, löste die kühnsten Mutmaßungen aus. Einmal unternahm er einen kurzen Ausflug ins Athenäum, um dort ein Buch zu beschaffen, das er benötigte, ein andermal heuerte er einen Boten an, um für ihn einen höchst obskuren Band aus Boston abzuholen. Die ganze Situation war von unheilvoller Spannung geprägt, und die Familie und Dr. Willett gestanden einander ein, dass sie völlig ratlos waren, was sie über Charles denken sollten oder was zu tun sei.
6
Am 15. April zeichnete sich dann eine merkwürdige Entwicklung ab. Zwar schien sich nichts wirklich verändert zu haben, aber im Ausmaß gab es einen ziemlich erschreckenden Unterschied; Dr. Willett schreibt diesem Wandel eine hohe Bedeutung zu. Dieser Tag war ein Karfreitag, worüber die Dienstboten viel Aufhebens machten, was anderen jedoch natürlich als irrelevanter Zufall erschien. Am späten Nachmittag begann der junge Ward mit der Wiederholung bestimmter Formeln mit besonders lauter Stimme, wobei er irgendeine Substanz verbrannte, deren stechende Dämpfe sich im ganzen Haus verteilten. Die Formel war auf dem Gang vor der verschlossenen Tür so deutlich vernehmbar, dass Mrs. Ward sie sich einprägte, während sie wartete und ängstlich lauschte. Auf Dr. Willetts Nachfrage hin vermochte sie sie sogar aufzuschreiben. Sie lautete wie folgt, und Dr. Willett hat von Experten erfahren, dass etwas ganz Ähnliches in den mystischen Schriften des ›Eliphas Lévi‹ zu finden ist, der rätselhaften Seele, die durch einen Spalt im verbotenen Tor kroch und
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