Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)
des Herausgebers konfrontiert wurde, die Autoren endlos auf ihr kümmerliches Honorar warten zu lassen. Für ›The Colour Out of Space‹ erhielt Lovecraft 25 Dollar (1/5 Cent pro Wort), eine auch damals unglaublich lächerliche Summe für eines der Meisterwerke der fantastischen Literatur – und auch dieses Honorar erhielt er erst nach drei Mahnbriefen. Den Herausgeber Hugo Gernsback pflegte er danach in seinen Briefen als »Hugo the Rat« zu bezeichnen. (Lovecrafts absolut spartanische Lebenshaltung kostete damals etwa 50–60 $ pro Monat).
Obwohl Lovecraft primär für sich selbst schrieb, hat er sich über Anerkennung doch gefreut; dass die literarische Welt ihm diese zu Lebzeiten niemals hat zukommen lassen, hat ihn trotz seiner zur Schau gestellten stoischen Attitüde nicht wenig geschmerzt. Immerhin fand die Erzählung eine Erwähnung in O’Briens jährlicher Bestenlisten (»Best Short Stories of 1927«). Heute hat sich ›The Colour Out of Space‹ natürlich einen festen Platz im literarischen Pantheon erobert.
Die Farbe aus dem All
Westlich von Arkham steigen die Hügel abrupt an; zwischen ihnen liegen Täler mit Wäldern, denen nie die Axt gedroht hat. Dort gibt es dunkle enge Schluchten, wo die Bäume sich auf wundersame Weise neigen, dünne Bäche plätschern vor sich hin, auf die nie ein Sonnenstrahl fiel. An den sanfteren Hängen stehen uralte und steingraue Bauernhöfe mit geduckten moosbedeckten Hütten, die im Windschatten großer Felsvorsprünge auf ewig über den alten Geheimnissen Neuenglands brüten; doch sie alle sind mittlerweile verlassen, die breiten Kaminschlote sind zerfallen, und die niedrigen Walmdächer mit ihren Dachschindeln hängen gefährlich durch.
Die alten Bewohner sind fortgezogen, und Fremde leben dort nicht gern. Die Frankokanadier haben es versucht, ebenso die Italiener, und auch die Polen sind gekommen und wieder gegangen – nicht wegen etwas, das man sehen oder berühren kann, sondern wegen etwas, das der Vorstellung entspringt. Der Ort ist nicht gut für die Fantasie und beschert einem des Nachts keine friedlichen Träume. Daran muss es liegen, dass die Ausländer fernbleiben, denn der alte Ammi Pierce hat ihnen nie von den Erinnerungen erzählt, die ihm aus vergangenen Tagen geblieben sind. Ammi, der im Laufe der Jahre ein wenig sonderbar geworden ist, ist der Einzige, der hier noch lebt – der Einzige, der je über jene seltsamen Tage spricht; er bringt dazu den Mut auf, weil sein Haus so nahe bei den offenen Feldern und den belebten Straßen der Umgebung von Arkham steht.
Einst führte über die Hügel und durch die Täler eine Straße, genau dort, wo sich nun die verfluchte Heide befindet; die Menschen gaben sie aber irgendwann auf, und so wurde eine neue Straße gebaut, die weit weg in südlicher Richtung verläuft. Man kann noch immer Spuren des alten Weges zwischen dem Unkraut der zurückkehrenden Wildnis entdecken, und manche dieser Spuren werden zweifellos auch dann noch zu sehen sein, wenn die Hälfte der Talsenken für den neuen Stausee geflutet wird. Dann werden die finsteren Wälder endlich abgeholzt, und die verfluchte Heide wird tief unterm blauen Wasser schlummern, dessen Oberfläche Himmel und Sonne spiegelt. Und die Geheimnisse der seltsamen Tage werden eins sein mit den Geheimnissen der Tiefe; eins mit der verborgenen Kunde alter Meere und allen Rätseln der uralten Erde.
Als ich die Hügel und Täler aufsuchte, um Vermessungen für das neue Staubecken vorzunehmen, sagte man mir, dieser Ort sei böse. Das sagte man mir in Arkham, und da es eine sehr alte Stadt voller Hexengeschichten ist, glaubte ich, bei diesem ›Bösen‹ handele es sich um etwas, das seit Jahrhunderten Großmütter ihren Enkelkindern zuflüstern. Die Bezeichnung ›verfluchte Heide‹ erschien mir recht eigenartig und theatralisch, und ich fragte mich, wie sie in die mündliche Überlieferung eines puritanischen Volkes gelangt war. Dann erblickte ich das westwärts gelegene Gewirr von Schluchten und Hängen mit eigenen Augen, und ich wunderte mich über nichts mehr – nur noch über das dem Ort eigene uralte Rätsel. Es war Vormittag, doch auch zu dieser Zeit lauern dort beharrliche Schatten. Die Bäume wuchsen zu dicht beisammen, und ihre Stämme waren dicker als in einem gesunden neuenglischen Wald üblich. Auf den dämmrigen Pfaden zwischen den Bäumen war es viel zu still, und der Boden war zu weich von feuchtem Moos und mit uraltem Moder bedeckt.
Auf den offenen
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