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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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vermutet hatte, doch seine Augen waren merkwürdig stumpf, und seine ungepflegte Kleidung und sein weißer Bart ließen ihn recht schäbig und elend erscheinen.
    Da ich nicht wusste, wie ich ihn am besten dazu bewegen konnte, seine Geschichten zu erzählen, täuschte ich einen geschäftlichen Anlass für meinen Besuch vor; ich erzählte ihm von meinem Auftrag zur Landvermessung und stellte ihm allgemeine Fragen über die Gegend. Er erwies sich als wesentlich klüger und gebildeter, als von mir vermutet, und ehe ich mich versah, war er über mein Ansinnen mindestens ebenso gut im Bilde wie jeder Bewohner von Arkham, mit dem ich darüber gesprochen hatte. Er unterschied sich von allen anderen Landbewohnern, die ich in Gebieten kennengelernt hatte, in denen Stauseen entstehen sollten. Von ihm kam kein Wort der Klage über die vielen Hektar alten Waldes und Ackerlandes, die ausgelöscht werden sollten, was aber vielleicht daran lag, dass sein Heim sich nicht auf dem Gebiet des geplanten Sees befand. Er zeigte sich nur erleichtert; erleichtert, dass das Schicksal der dunklen uralten Täler besiegelt war, die er sein ganzes Leben lang durchstreift hatte. Es sei besser, dass sie überschwemmt würden – jetzt, nach den seltsamen Tagen. An dieser Stelle senkte er die Stimme, beugte sich vor und hob zitternd den rechten Zeigefinger.
    Dann vernahm ich die Geschichte, und während er mit heiserer Stimme flüsterte, überlief mich trotz des Sommerwetters wieder und wieder ein Frösteln. Oft musste ich ihn zum Thema zurückbringen, wenn er zu weit davon abgewichen war, musste ihm wissenschaftliche Fragestellungen erläutern, die er nur vom Hörensagen kannte, oder Lücken ausfüllen, wenn sein Sinn für logische Zusammenhänge aussetzte. Als er fertig war, verstand ich, warum er ein wenig übergeschnappt war oder warum die Bürger Arkhams nicht gern von der verfluchten Heide sprachen. Vor Sonnenuntergang eilte ich zurück in mein Hotel, weil ich vermeiden wollte, mich im Freien aufzuhalten, wenn die Sterne aufgingen; am nächsten Tag fuhr ich heim nach Boston und kündigte meine Stellung. Ich hätte nicht wieder in diese triste Wildnis alter Wälder und Felshänge zurückkehren können, hätte auch nicht mehr den Anblick der grauen verfluchten Heide ertragen, wo neben den umgestürzten Ziegelsteinmauern der schwarze Brunnen gähnte. Der Stausee wird nun bald gebaut, und all diese alten Geheimnisse werden für immer unter Wasser ruhen. Doch selbst so würde ich diesen Landstrich nicht bei Nacht besuchen wollen – jedenfalls nicht, wenn die unheilvollen Sterne am Himmel stehen. Und nichts könnte mich dazu bewegen, das Wasser aus der neuen Versorgungsleitung von Arkham zu trinken.
    Begonnen, so der alte Ammi, hatte alles mit dem Meteoriten. Davor hatte es seit den Hexenprozessen keine obskuren Legenden mehr in dieser Gegend gegeben, und selbst damals waren die Wälder hier im Westen nicht so gefürchtet wie jene kleine Insel im Miskatonic, wo neben einem eigenartigen Altarstein, der älter ist als jeder Indianerstamm, der Teufel angeblich Hof gehalten hatte. Es spukte nicht in diesen Wäldern, und ihr tiefes Dämmerlicht jagte niemandem Schrecken ein – bis zu den seltsamen Tagen. Damals war eine weiße Wolke zur Mittagsstunde am Himmel erschienen, eine Kette von Explosionen hatte sich in der Luft ereignet, und eine Rauchsäule war aus dem Tal tief in den Wäldern aufgestiegen. Und gegen Abend hatte ganz Arkham von dem großen Felsbrocken gewusst, der vom Himmel gefallen war und sich neben dem Brunnen des Anwesens von Nahum Gardner in den Boden gegraben hatte. Gardner hatte das Haus gehört, das dort gestanden hatte, wo sich bald die verfluchte Heide befinden sollte – ein gepflegtes weißes Haus inmitten von fruchtbaren Gärten und Hainen.
    Nahum war in die Stadt gegangen, um den Menschen von dem Stein zu berichten, und auf dem Weg dorthin schaute er bei Ammi Pierce vorbei. Ammi war damals vierzig Jahre alt gewesen, und all die sonderbaren Geschehnisse gruben sich tief in sein Gedächtnis ein. Er und seine Frau begleiteten die drei Professoren von der Miskatonic-Universität, die am nächsten Morgen herbeieilten, um den merkwürdigen Besucher aus unbekannten Sternenräumen zu sehen, und sie fragten sich, weshalb Nahum das Ding am Tag zuvor als derart groß beschrieben hatte. Es sei geschrumpft, sagte Nahum und zeigte auf die große bräunliche Erhebung über dem aufgerissenen Erdreich und dem verkohlten Gras in der Nähe des

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