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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Wolken legten sich über sein Bewusstsein. Da war ein Gefühl von geisterhaftem Wirbeln durch Strudel der Unendlichkeit, von schwindelerregenden Flügen durch taumelnde Welten auf Kometen und von hysterischen Sprüngen aus Abgründen hoch zum Mond und vom Mond zurück in den Abgrund, und das alles wurde untermalt vom schnatternden Chor der irren, ausgelassenen alten Götter und der höhnenden Fledermausteufel des Tartarus.
    Die Rettung aus diesem Traum kam durch die Vigilant, das Gericht der Vizeadmiralität, die Straßen von Dunedin und die lange Heimreise zum alten Haus am Egeberg. Er konnte nichts darüber berichten – man würde ihn für verrückt halten. Er wollte alles niederschreiben, was er wusste, bevor der Tod ihn ereilte, doch seine Frau durfte nichts davon auch nur erahnen. Der Tod würde eine Gnade sein, wenn er nur diese Erinnerungen auslöschte.
    Dies schilderte das Dokument, das ich las, und nun liegt es in der Blechkiste neben dem Flachrelief und Professor Angells Unterlagen. Dazu kommt diese Aufzeichnung aus meiner Feder – diese Prüfung meiner eigenen Vernunft, worin all das zusammengefügt ist, was, wie ich hoffe, nie wieder jemand zusammenfügen wird. Ich habe all das erblickt, was der Kosmos an Schrecken bereithält, und selbst der Himmel im Frühjahr und die Blumen des Sommers sind hernach nur noch wie Gift für mich. Doch ich glaube, dass mein Leben nicht mehr lange währt. Wie mein Onkel und wie der arme Johansen, so werde auch ich gehen. Ich weiß zu viel, und der Kult ist noch immer lebendig.
    Auch Cthulhu, so vermute ich, ist noch lebendig in jenem Abgrund aus Stein, der ihn geschützt hat, seit die Sonne jung war. Seine verfluchte Stadt ist wieder versunken, denn die Vigilant ist nach dem Sturm im April über die Stelle hinweggesegelt; aber seine Botschafter auf Erden brüllen und toben und morden noch immer vor mit götzengekrönten Monolithen an einsamen Orten. Er muss beim Versinken wohl in seinem schwarzen Abgrund gefangen gewesen sein, denn sonst würde die Welt jetzt vor Angst und Wahnsinn schreien.
    Wer weiß, wie es enden wird? Was aufsteigt, mag wieder versinken, und was versunken ist, mag wieder auftauchen. Grässliches wartet und träumt in der Tiefe, und der Zerfall breitet sich aus in den unbeständigen Städten der Menschen. Eine Zeit wird kommen ... aber ich darf und kann nicht daran denken! Ich bete, dass – sollte ich die Fertigstellung dieses Manuskriptes überleben – meine Testamentsvollstrecker Vorsicht walten lassen und dafür Sorge tragen werden, dass kein Auge diese Zeilen je erblickt.

Vorwort zu »Die Farbe aus dem All« (The Colour Out of Space)
    Im März 1927 schrieb Lovecraft ›The Colour Out of Space‹ (man vergesse nur ja nicht das »u« in »colour« – Lovecraft hat immer energisch an britischen Schreibweisen festgehalten), also direkt nach ›The Case of Charles Dexter Ward‹. Dass er diese in Tonfall, Stil und Thematik so völlig andersgelagerte Erzählung unmittelbar anschließen konnte, illustriert sein gewachsenes Ausdrucksvermögen und seine gereifte Variabilität als Schriftsteller. Im Gegensatz zu manchen anderen Texten war er mit diesem recht zufrieden, und nicht wenige Leserinnen und Leser halten ›The Colour Out of Space‹ für seine an schierer Eindrücklichkeit und Suggestionskraft größte literarische Leistung. Auch Lovecraft selbst hat einmal gemeint, dies sei wohl seine beste Geschichte (Brief an Wilfred Blanch Talman vom 10. November 1936).
    Lovecraft war ein Städter, aber zeit seines Lebens von der unberührten Natur, von Wäldern und Einöden fasziniert. Die Wälder, Berge und Täler Neuenglands entsprechen dabei nicht ganz dem, was wir gewöhnlich mit der »Weite« der USA assoziieren, aber sie sind eindrücklich genug, vor allem in Vermont und Maine, aber auch im Hinterland von Massachusetts und sogar im kleinen Rhode Island. ›The Colour Out of Space‹ lebt aus der Gegenwart dieser Natur, obwohl der Schrecken, mit dem wir konfrontiert werden, nicht aus der Natur stammt, ja nicht aus unserem Sonnensystem und überhaupt nicht aus unserem »System« der Dinge. Das ist es ja gerade, was den Schrecken ausmacht. Er kann nicht einmal durch einen mythologischen Namen gebannt werden. Lovecraft nannte seine Erzählung »an atmospheric study« (Brief an Clark Ashton Smith vom 24. März 1927), die auf einem »homely country setting« aufbaut (Brief an Bernard Austin Dwyer vom 26. März 1927). Dieser Hintergrund – wie üblich mit

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