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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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gebrauchen. Sie hatten anscheinend den Verstand verloren, und schließlich musste jedes der Tiere zu seinem eigenen Besten erschossen werden. Nahum borgte sich von Ammi ein Pferd, um das Heu einzuholen, doch es wollte nicht auch nur in die Nähe der Scheune. Es scheute, schlug aus und wieherte, und letzten Endes blieb Nahum nichts anderes übrig, als es auf dem Hinterhof zu lassen, während die Männer mit eigener Kraft den schweren Heuwagen zum Schober ziehen mussten, um das Heu bequem verstauen zu können. Während der ganzen Zeit wurde die Vegetation immer grauer und spröder. Selbst die Blumen mit ihren zuvor so fremdartigen Farben ergrauten nun, und die Früchte dieses Jahres waren grau, verschrumpelt und ohne jeden Geschmack. Die Astern und die Goldrute blühten grau und verkümmerten, und die Rosen, Stockrosen und Zinnien im Vordergarten sahen so gotteslästerlich aus, dass Zenas, Nahums Ältester, sie alle abschnitt. In diesem Zeitraum starben auch die sonderbar aufgedunsenen Insekten, sogar die Bienen, die ihre Stöcke verlassen hatten und in den Wald geflüchtet waren.
    Im September war beinahe die gesamte Vegetation zu einem grauen Pulver zerfallen, und Nahum hegte die Befürchtung, dass seine Obstbäume sterben würden, noch ehe dem Boden das Gift entzogen war. Seine Frau hatte mittlerweile Anfälle, bei denen sie furchtbar schrie, und er und die Jungs befanden sich in einem Zustand dauerhafter nervlicher Anspannung. Sie mieden nun die Menschen, und als die Ferien zu Ende waren, gingen die Jungen nicht mehr zur Schule. Doch es war Ammi, der – bei einem seiner selten gewordenen Besuche – als Erster bemerkte, dass das Wasser aus dem Brunnen nicht mehr gut war. Es hatte einen üblen Geschmack, den man weder als richtig faulig noch als wirklich salzig beschreiben konnte, und Ammi gab seinem Freund den Ratschlag, auf höher gelegenem Gelände einen neuen Brunnen zu graben, bis der Boden sich wieder erholt habe. Nahum schenkte dem jedoch keine Beachtung, war er zu diesem Zeitpunkt doch bereits gegenüber allem Seltsamen und Unangenehmen abgestumpft. Er und die Jungens benutzten weiterhin das verdorbene Wasser, tranken es so achtlos und mechanisch, wie sie ihre kargen und schlecht gekochten Mahlzeiten aßen und während der ziellosen Tage ihre undankbare und eintönige Arbeit verrichteten. Sie alle strahlten eine stumpfe Resignation aus – so als stünden sie mit einem Fuß bereits in einer anderen Welt und bewegten sich, von namenlosen Wächtern umringt, ihrem sicheren und bereits hingenommenen Ende entgegen.
    Im September wurde Thaddeus verrückt, nachdem er den Brunnen aufgesucht hatte. Er war mit einem Eimer hingegangen und kam mit leeren Händen zurück, schrie und schlug um sich, und manchmal verfiel er in ein unsinniges Gekicher und flüsterte von den Farben, »die sich da unten bewegen«. Zwei solche Fälle in der Familie zu haben war sehr schlimm, doch Nahum hielt sich tapfer. Er ließ den Jungen noch eine Woche frei herumlaufen, bis er anfing zu stolpern und sich dabei zu verletzen. Da sperrte er ihn in eine Dachkammer, die der gegenüberlag, in der sich seine Mutter befand. Es war furchtbar, wie sie sich durch die verschlossenen Türen hindurch Dinge zuschrien; besonders der kleine Merwin litt darunter, weil er glaubte, dass sie in einer schrecklichen Sprache miteinander redeten, die nicht von dieser Welt sei. Merwin entwickelte eine furchterregende Fantasie und wurde immer unruhiger, nachdem man seinen Bruder weggesperrt hatte, der ihm der liebste Spielgefährte gewesen war.
    Ungefähr zur selben Zeit begann das Sterben des Viehs. Das Geflügel wurde grau und verendete rasch, und das Fleisch war trocken und roch ekelerregend, als man es zerschnitt. Die Schweine wurden unmäßig fett, dann machten sie widerliche Veränderungen durch, die sich niemand erklären konnte. Natürlich erwies sich auch ihr Fleisch als ungenießbar, und Nahum war am Ende seiner Weisheit. Kein Landtierarzt hätte freiwillig einen Fuß auf den Hof gesetzt, und der Veterinär aus Arkham war völlig verblüfft. Die Schweine wurden grau und fielen regelrecht in Stücke, bevor sie starben, und an ihren Augen und Schnauzen entdeckte man eigenartige Missbildungen. Das alles war gänzlich unerklärlich, denn man hatte sie nie mit den verdorbenen Pflanzen gefüttert. Dann waren die Kühe an der Reihe. Einzelne Gliedmaße, wenn nicht gleich der ganze Körper, schrumpften oder fielen in sich zusammen, scheußliche Zusammenbrüche

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