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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Vorwort zu »Nyarlathotep«
    Auch ›Nyarlathotep‹ (wohl im Herbst 1920 verfasst) geht auf einen Traum Lovecrafts zurück, dessen genaues Datum wir leider nicht wissen. »Der erste Abschnitt wurde niedergeschrieben, noch bevor ich völlig aufgewacht war« (Brief an Rheinhart Kleiner vom 14. Dezember 1920). Trotz dieser tiefen Verwurzelung im Unbewussten des Autors ist das Prosagedicht ›Nyarlathotep‹ eine der eindrücklichsten Parabeln Lovecrafts auf den Niedergang der Zivilisation und in vieler Hinsicht ein Schlüsseltext zu seinem Werk.
    Das Vorbild des wandernden Illusionisten und Wissenschaftlers »Nyarlathotep« ist vielleicht der exzentrische kroatische Physiker Nikola Tesla (1856–1943) gewesen, auf den Lovecraft schon im Jahr 1900 aufmerksam geworden war – als Tesla behauptete, Signale einer Zivilisation vom Mars empfangen zu haben. Tesla war ein bedeutender Erfinder (u. a. des Tesla-Transformators und des Drehstrommotors; er ist in manchem der Vater des Radios), aber auch ein geschäftstüchtiger Showman, der unter anderem behauptete, »Todesstrahlen« erfunden zu haben, mit denen man die ganze Erde in Schutt und Asche legen könne. Einem kleinen Kreis ergebener Anhänger galt er zeitweise als Verkörperung einer außerirdischen Intelligenz. Man muss auch an die abstrusen elektrischen Fantasieobjekte in den oft nur wenige Minuten langen Science Fiction-Filmen der Jahre zwischen 1900 und 1920 denken, um das zeitgeschichtliche Kolorit des Textes zu verstehen, welches direkt in Lovecrafts Kindheit in Providence führt.
    Interessant ist weiter, dass Lovecraft auch den Namen Nyarlathotep (der wohl ein afrikanisches Element Nyarlat- mit der bekannten ägyptischen Endung -hotep verbinden soll) zuerst in diesem Traum gehört haben will. Gedruckt zuerst United Amateur, November 1920, erschien das Prosagedicht zu Lovecrafts Lebzeiten nicht in einer Publikation mit größerer Auflage.
    Die Querverbindungen zu anderen Texten Lovecrafts sind zum Teil etwas mühsam zu entdecken (vor allem zu dem Roman ›The Dream-Quest of Unknown Kadath‹ und zu dem faszinierenden Gedicht ›Nyarlathotep‹ aus dem Zyklus ›Fungi from Yuggoth‹), aber dann sehr aufschlussreich. Nyarlathotep bringt das Ende der Zivilisation durch einen Akt der Erleuchtung. Das Zerbröckeln der abendländischen Kultur (von Lovecraft in eindrücklichen Bildern eingefangen), die apokalyptische Stimmung, der Übergang zwischen »Realität« und Vision werden durch den Psychopompen Nyarlathotep schließlich zu einer Konfrontation mit der Mitte der Universums. Dort aber lebt kein sinnverheißender »Gott«, sondern das amorphe Chaos Azathoth (dessen Bedeutung in diesem Sinn dann erst in der späten Novelle ›The Haunter of the Dark‹ ganz deutlich wird).

Nyarlathotep
    Nyarlathotep ... das kriechende Chaos ... Ich bin der letzte ... Ich werde es der lauschenden Leere verkünden ...
    Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wann es begann, doch es ist Monate her. Die allgemeine Anspannung war schrecklich. Zu einer Zeit politischen, gesellschaftlichen Umbruchs trat noch eine sonderbare und lauernde Vorahnung von einer abscheulichen, fassbaren Gefahr, einer ausgedehnten und allumfassenden Gefahr, wie man sie sich nur in den schrecklichsten Nachtgespinsten vorzustellen vermag. Ich weiß noch, dass die Menschen mit bleichen, sorgenvollen Gesichtern umhergingen und Warnungen und Prophezeiungen wisperten, die niemand bewusst zu wiederholen oder sich auch nur einzugestehen traute, dass er sie überhaupt vernommen hatte. Ein ungeheuerliches Schuldgefühl lastete auf dem Land, und aus den Abgründen zwischen den Sternen tasteten eisige Ströme, die die Menschen an dunklen und einsamen Orten erschaudern ließen. Es gab eine dämonische Veränderung in der Abfolge der Jahreszeiten – die herbstliche Hitze hielt entsetzlich lange an, und alle spürten, dass die Welt und vielleicht sogar das Universum nicht länger der Kontrolle der bekannten Götter oder Mächte unterlag, sondern der von Göttern oder Mächten, die unbekannt waren.
    Und das war der Zeitpunkt, als Nyarlathotep aus Ägypten kam. Wer er war, konnte niemand sagen, doch er stammte aus altem, verwurzelten Geschlecht und sah aus wie ein Pharao. Die Fellachen knieten nieder, wenn sie ihm begegneten, doch einen Grund dafür konnten sie nicht angeben. Er behauptete, aus der Finsternis von siebenundzwanzig Jahrhunderten auferstanden zu sein und dass er Botschaften von Orten

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