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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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umfassende Notizen und Listen über die gut dokumentierte Geschichte der Familie Orne an.
    Von Boston aus fuhr ich unverzüglich heim nach Toledo, und später verbrachte ich einen Monat in Maumee, um mich von meinem Martyrium zu erholen. Im September schrieb ich mich zu meinem ersten Semester in Oberlin ein, und von da bis zum nächsten Juni war ich mit dem Studium und anderen gesunden Tätigkeiten beschäftigt – an das vergangene Grauen wurde ich nur erinnert durch gelegentliche Besuche von Regierungsbeamten im Zusammenhang mit der Kampagne, die auf meine Appelle und Beweise hin gestartet worden war.
    Ungefähr Mitte Juli – genau ein Jahr nach dem Erlebnis in Innsmouth – verbrachte ich eine Woche bei der Familie meiner verstorbenen Mutter in Cleveland, wo ich meine neu gewonnenen genealogischen Daten mit verschiedenen Aufzeichnungen, Überlieferungen und ein paar Familienerbstücken, die es dort gab, vergleichen konnte, um nach Möglichkeit eine Tafel mit weitläufigeren Verbindungen zu erstellen. Diese Aufgabe erfüllte mich nicht gerade mit Begeisterung, da ich die Atmosphäre des Hauses der Williamsons stets als bedrückend empfunden hatte. Sie wies eine Spur von Morbidität auf, und meine Mutter hatte mich in meiner Kindheit nie dazu ermuntert, ihre Eltern zu besuchen, obwohl sie ihren Vater stets willkommen geheißen hatte, wenn er nach Toledo kam. Meine aus Arkham stammende Großmutter war mir immer fremd und beinahe erschreckend erschienen, und ich glaube nicht, dass ich über ihr Verscheiden sehr bekümmert gewesen war. Ich war damals acht Jahre alt, und es hieß, sie sei in den Tod gegangen aus Trauer über den Selbstmord meines Onkels Douglas, ihres ältesten Sohnes. Er hatte sich nach einer Reise durch Neuengland erschossen – zweifelsohne war das die Reise, aufgrund derer man sich seiner bei der Historischen Gesellschaft von Arkham noch erinnerte.
    Dieser Onkel war ihr ähnlich gewesen. Auch ihn hatte ich nie gemocht. Irgendetwas an dem unverwandt starren Gesichtsausdruck der beiden hatte mir ein undeutliches, unerklärliches Unbehagen bereitet. Meine Mutter und Onkel Walter hatten nicht so ausgesehen. Sie glichen ihrem Vater, obgleich mein armer kleiner Vetter Lawrence – Walters Sohn – fast ein vollkommenes Ebenbild seiner Großmutter war, bevor sein Zustand es verlangte, dass man ihn in dauerhafte Verwahrung in ein Sanatorium in Canton gab. Ich hatte ihn seit vier Jahren nicht gesehen, doch mein Onkel deutete an, dass er sich sowohl geistig als auch körperlich in sehr schlechtem Zustand befinde. Diese Sorge sei vermutlich ein entscheidender Grund für den Tod seiner Mutter vor zwei Jahren gewesen.
    Der Haushalt in Cleveland bestand nun aus meinem Großvater und seinem verwitweten Sohn Walter, doch hing die Erinnerung an alte Zeiten wie ein dichter Schleier über allem. Ich hegte nach wie vor eine Abneigung gegen den Ort und versuchte, meine Nachforschungen so rasch wie möglich abzuschließen. Mein Großvater lieferte mir reichlich Aufzeichnungen und Überlieferungen über die Williamsons, doch für Material über die Ornes musste ich mich an meinen Onkel Walter wenden, der mir den Inhalt all seiner Akten zur Verfügung stellte, darunter Notizen, Briefe, Zeitungsausschnitte, Erbstücke, Fotografien und Miniaturen.
    Als ich mich nun mit den Briefen und Porträts der Ornes beschäftigte, wuchs in mir ein unerklärliches Grauen vor meiner eigenen Abstammung. Wie ich bereits sagte, hatten meine Großmutter und mein Onkel Douglas mich schon immer verstört. Nun, Jahre nach ihrem Verscheiden, blickte ich auf ihre Bilder mit einem merklich gesteigerten Gefühl von Abscheu. Ich verstand diesen Wandel zuerst nicht, doch allmählich drängte sich meinem Unterbewusstsein ein grauenhafter Argwohn auf, ungeachtet der standhaften Weigerung meines Bewusstseins, auch nur die geringste Andeutung davon zuzulassen. Es war klar, dass der typische Ausdruck dieser Gesichter nun etwas nahelegte, was zuvor nicht der Fall gewesen war – etwas, das blanke Panik auslösen würde, falls ich zu offen darüber nachdachte.
    Doch der schlimmste Schock kam, als mein Onkel mir in einem Tresorraum in der Stadt den Familienschmuck der Ornes zeigte. Manche der Stücke waren durchaus kostbar und schön, doch gab es eine Schatulle mit sonderbaren alten Stücken von meiner geheimnisvollen Urgroßmutter, die mein Onkel mir nur äußerst widerwillig zeigte. Sie seien, so sagte er, von überaus grotesker und fast abstoßender

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