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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Täuschung beruht?
    Doch ich versuche zu berichten, was ich in jener Nacht unter dem spöttischen gelben Mond zu sehen glaubte – direkt vor meinen Augen die Straße nach Rowley hinab strömen und hüpfen sah, als ich mich inmitten der wilden Dornsträucher jenes verlassenen Bahndammdurchgangs in Deckung kauerte. Natürlich war mein Vorsatz, die Augen geschlossen zu halten, bald hinfällig. Er war von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen – denn wer kann sich schon blind hinkauern, derweil eine übel riechende Legion quäkender, kläffender Geschöpfe unbekannter Herkunft kaum mehr als hundert Meter entfernt vorüberwatschelt?
    Ich glaubte auf das Schlimmste vorbereitet zu sein, und nachdem, was ich bisher gesehen hatte, hätte ich auch wirklich vorbereitet sein sollen. Meine anderen Verfolger waren auf verdammenswerte Weise missgestaltet gewesen – hätte ich nicht also bereit sein müssen, noch schlimmere Abnormitäten zu sehen; bereit für eine Begegnung mit Gestalten, in die sich überhaupt nichts Normales mehr mischte? Ich öffnete meine Augen erst, als ich unmittelbar vor mir wilden Lärm hörte. Da wusste ich, dass eine große Anzahl von ihnen deutlich sichtbar sein musste, wo die Seiten des Durchgangs abflachten und die Straße das Gleis schnitt – und ich konnte mich nicht länger davon abhalten, auf jenes Grauen einen Blick zu werfen, welches der lüstern schielende, gelbe Mond offenbaren mochte.
    Das war für den Rest meines Lebens auf der Oberfläche dieses Planeten das Ende jeglichen geistigen Friedens und das Ende meines Vertrauens in die Verlässlichkeit der Natur und des menschlichen Verstandes. Nichts, was ich mir hätte vorstellen können – nichts, was ich mir auch nur hätte ausmalen können, selbst wenn ich die irre Geschichte des alten Zadok geglaubt hätte –, wäre in irgendeiner Weise vergleichbar mit der dämonischen, gotteslästerlichen Wirklichkeit, die ich nun schaute – oder zu schauen glaubte. Ich habe es anzudeuten versucht, um das Grauen umgehen zu können, es unverhüllt niederzuschreiben. Kann es möglich sein, dass dieser Planet tatsächlich solche Wesen hervorbrachte; dass menschliche Augen wahrhaft in Fleisch und Blut das gesehen haben, was Menschen bislang nur aus fieberhaften Fantasien und verworrenen Legenden kannten?
    Ja, ich habe sie gesehen … sah sie in endlosem Strome – flatternd, hüpfend, quäkend, blökend – unmenschlich durchs gespenstische Mondlicht flutend gleich einem grotesken, bösartigen Tanz fantastischer Nachtmahre. Und manche von ihnen trugen hohe Kronen aus jenem unbekannten weißgoldenen Metall … und manche waren in merkwürdige Roben gehüllt … und einer, der die andern anführte, war gekleidet in einen dämonisch buckligen schwarzen Mantel und gestreifte Hosen, und er trug einen Männerfilzhut auf dem formlosen Ding, das ein Kopf sein sollte …
    Ich glaube, ihre Haut war meist graugrün gefärbt, obgleich sie weiße Bäuche hatten. Sie glänzten glitschig, doch die Wülste auf ihren Rücken waren schuppig. Ihre Gestalt deutete entfernt etwas Menschenartiges an, derweil ihre Häupter Fischköpfe waren, mit wundersam hervorstehenden Augen, die sich nie schlossen. An den Seiten ihrer Hälse befanden sich zitternde Kiemen und ihre langen Pfoten waren mit Schwimmhäuten versehen. Sie hüpften unregelmäßig, bald auf zwei Beinen, bald auf allen vieren. Ich war irgendwie froh darüber, dass sie nicht mehr als vier Gliedmaßen besaßen. Ihre quäkenden, kläffenden Stimmen waren eindeutig zur artikulierten Sprache geschaffen und enthielten all die dunklen Schattierungen des Ausdrucks, deren ihre starren Gesichter ermangelten.
    Doch trotz all ihrer Monstrosität waren sie mir nicht unvertraut. Ich wusste nur zu gut, was sie sein mussten – denn war mir nicht die Erinnerung an jene böse Tiara in Newburyport noch frisch im Gedächtnis? Dies waren die gotteslästerlichen Fischfrösche der unbeschreiblichen Verzierungen – lebendig und grässlich –, und als ich sie sah, wusste ich auch, woran mich jener bucklige tiarengekrönte Priester im schwarzen Keller der Kirche auf so grauenerregende Weise erinnert hatte. Ihre Anzahl überstieg jede Schätzung. Mir schien, als seien es grenzenlose Scharen – und gewiss hatte mein sekundenkurzer Blick mir nur den geringsten Teil offenbart. Im nächsten Augenblick wurde alles von einer barmherzigen Ohnmacht ausgelöscht – der ersten, die ich je erlebte.
    V
    Ein sanfter Regen erweckte mich im hellen

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