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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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verbarg?
    Ob nun ein heutiger Student allein durch mathematische Nachforschungen ähnliche Fähigkeiten erlangen könne, das werde sich erweisen müssen. Ein Erfolg, fügte Gilman hinzu, könne zu gefährlichen und unvorhersehbaren Situationen führen; wer wisse denn, welche Bedingungen in einer benachbarten, aber normalerweise unzugänglichen Dimension vorherrschten? Andererseits täten sich dadurch fantastische Möglichkeiten auf. In gewissen Gegenden des Raums existiere vielleicht keine Zeit, und wenn man darin bliebe, könne man das Altern und Sterben unendlich hinauszögern und müsse – außer geringfügigen Veränderungen im Rahmen von Besuchen auf der eigenen oder ähnlichen Ebenen – niemals organische Formverwandlungen oder Verfall erleiden. Zum Beispiel könne man in eine zeitlose Dimension eintauchen und an einem weit in der Zukunft gelegenen Zeitpunkt der Weltgeschichte wieder auftauchen – so jung wie zuvor.
    Ob dies irgendjemandem je gelungen war, darüber könne man bloß Mutmaßungen anstellen. Alte Legenden sind oft mehrdeutig, und alle historisch belegten Versuche, verbotene Grenzen zu überschreiten, schienen durch eigenartige und schreckliche Bündnisse mit Wesen und Boten aus einer anderen Welt erschwert worden zu sein. So etwa die uralte Gestalt des Abgesandten oder Boten verborgener und grausiger Mächte – der »schwarze Mann« des Hexenkultes oder jener »Nyarlathotep« des Necronomicon . Dann war da noch das verwirrende Problem der niederen Boten oder Vermittler – die fast tierischen Zwitterwesen, die in den Sagen als die Vertrauten der Hexen dargestellt werden. Als Gilman und Elwood zu müde waren, um weiterzudiskutieren, und sich schlafen legten, hörten sie Joe Mazurewicz betrunken ins Haus torkeln und erschauderten über die verzweifelte Wildheit seiner winselnden Gebete.
    In dieser Nacht sah Gilman wieder das violette Licht. Im Traum hatte er in den Zwischenwänden ein Kratzen und Nagen gehört und geglaubt, jemand mache sich unbeholfen an der Türklinke zu schaffen. Dann sah er die alte Frau und das kleine Pelzwesen, die sich ihm über den Teppich näherten. Das Gesicht der Greisin war von unmenschlichem Frohlocken verzerrt, und das kleine Ungeheuer mit den gelben Fangzähnen kicherte höhnisch, während es auf den fest schlafenden Elwood auf dem zweiten Sofa am anderen Ende des Zimmers deutete. Eine betäubende Angst erstickte jeden Versuch Gilmans, laut zu schreien. Wie schon einmal zuvor packte die scheußliche Vettel Gilman an den Schultern, riss ihn aus dem Bett und schleuderte ihn ins Leere. Wieder zog die Unendlichkeit der schreienden Abgründe rasend schnell an ihm vorbei, doch schon eine Sekunde später befand er sich in einer finsteren, schlammbedeckten unbekannten Gasse, in der faulige Gerüche hingen und die vermodernden Mauern uralter Häuser aufragten.
    Am Ende der Gasse stand der in eine Robe gehüllte schwarze Mann, den er in dem anderen Traum in der Kammer gesehen hatte, und unweit von ihm winkte die Alte Gilman mit gebieterischem Grinsen herbei. Brown Jenkin strich dem schwarzen Mann mit verspielter Zuneigung um die Füße, die von dem tiefen Schlamm größtenteils bedeckt waren. Zur Rechten war ein dunkler Eingang zu sehen, auf den der schwarze Mann wortlos zeigte. Die grinsende Vettel stürzte hinein und zerrte Gilman an den Ärmeln seines Schlafanzuges mit sich. Dahinter befand sich ein übel riechendes Treppenhaus, dessen Stufen bedrohlich knirschten und in dessen Dunkelheit die alte Frau ein schwaches violettes Licht auszustrahlen schien. Schließlich gelangten sie zu einer Tür. Die Alte machte sich am Knauf zu schaffen und stieß die Tür auf, dann bedeutete sie Gilman zu warten und verschwand in der schwarzen Öffnung.
    Der junge Mann vernahm mit seinem überempfindlichen Gehör einen entsetzlichen, erstickten Schrei, und gleich darauf kam die Alte mit einer kleinen reglosen Gestalt im Arm wieder heraus, die sie dem Träumer zuwarf, damit er sie trug. Der Anblick dieser Gestalt, der Ausdruck auf ihrem Gesicht brachen den Bann. Er war noch immer zu benommen, um zu schreien, aber er stürzte hastig die widerliche Treppe hinunter und hinaus in den Schlamm; erst der schwarze Mann hielt ihn auf, indem er Gilman an der Kehle packte. Als er das Bewusstsein verlor, hörte er noch das leise, schrille Kichern der rattenähnlichen Abnormität mit den Reißzähnen.
    Am Morgen des 29. April erwachte Gilman und fand sich in einem Strudel des Grauens wieder. In dem

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