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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Jahr, solange sie denken könne, seien Kinder auf diese Art und Weise verschwunden. Und ihr Freund Pete Stowacki habe ihr auch nicht geholfen, weil er das Kind aus dem Weg haben wollte.
    Was Gilman aber wirklich in kalten Schweiß ausbrechen ließ, war die Aussage zweier Zechkumpane, die kurz nach Mitternacht am Eingang der fraglichen Gasse vorbeigegangen waren. Sie gaben zu, betrunken gewesen zu sein, schworen aber beide, ein verrückt gekleidetes Trio gesehen zu haben, das sich verstohlen in die dunkle Gasse geschlichen habe: ein in eine Robe gekleideter hünenhafter Schwarzer, eine kleine in Fetzen gehüllte alte Frau und ein junger Weißer im Schlafanzug. Die alte Frau habe den jungen Mann mit sich gezerrt, während um die Füße des Negers eine zahme Ratte gestrichen sei.
    Gilman saß den ganzen Nachmittag wie benommen da, und so fand Elwood ihn auch vor, als er nach Hause kam – er hatte die Zeitungen mittlerweile selbst gesehen und sich einen schrecklichen Reim darauf gemacht. Dieses Mal konnte keiner von beiden mehr infrage stellen, dass etwas entsetzlich Ernstes um sie herum geschah. Zwischen den Schemen des Albtraums und der Realitat der tatsächlichen Welt kristallisierte sich eine ungeheuerliche, undenkbare Beziehung heraus, und allein äußerste Wachsamkeit konnte noch unheilvollere Entwicklungen abwenden. Gilman musste früher oder später einen Spezialisten aufsuchen, aber nicht gerade jetzt, wo alle Zeitungen voll waren mit dieser Entführungsgeschichte.
    Doch was sich wirklich zugetragen hatte, das war alles andere als klar, und einen Moment lang tauschten Gilman und Elwood flüsternd Theorien der fantastischsten Art aus. Hatte Gilman vielleicht unbewusst einen ungeahnten Erfolg bei seinen Studien des Raumes und der Dimensionen erzielt? War er tatsächlich aus der bekannten Sphäre herausgeglitten und zu unvermuteten und undenkbaren Orten gelangt? Wo – wenn überhaupt irgendwo – war er in den fremdartigen, dämonischen Nächten gewesen? Die brüllenden Dämmerschluchten – die grüne Hügellandschaft – die schimmernde Terrasse – der Drang zu den Sternen hin – der ultimative schwarze Strudel – der schwarze Mann – die schlammbedeckte Gasse und das Treppenhaus – die alte Hexe und das pelzige Schreckgespenst mit den Reißzähnen – die Blasenmasse und das kleine Polyeder – der seltsame Sonnenbrand – die Wunde am Handgelenk – die unerklärliche abgebrochene Figur – die schlammbedeckten Füße – die Male an seiner Kehle – das Gerede und die Befürchtungen der abergläubischen Ausländer – was hatte das alles nur zu bedeuten? In welchem Ausmaß galten hier noch die Gesetze der Vernunft?
    In dieser Nacht fanden sie keinen Schlaf und am nächsten Tag schwänzten beide ihre Vorlesungen und dösten vor sich hin. Es war der 30. April, und mit der Abenddämmerung würde die Zeit des teuflischen Sabbats anbrechen, den alle Ausländer und die abergläubischen alten Menschen fürchteten. Mazurewicz kam um sechs Uhr abends nach Hause und berichtete, dass die Arbeiter in der Textilfabrik hinter vorgehaltener Hand verbreiteten, die Walpurgisfeierlichkeiten würden in der dunklen Schlucht jenseits vom Meadow Hill abgehalten werden, wo inmitten einer eigentümlich vegetationslosen Landschaft ein alter weißer Stein stand. Manche von ihnen hätten das sogar der Polizei gemeldet und den Hinweis gegeben, dort nach dem vermissten Kind der Wolejko zu suchen; sie glaubten aber nicht, dass die Polizisten irgendetwas unternehmen würden. Joe bestand darauf, dass der junge Herr sein Kruzifix an der Nickelkette tragen solle, und Gilman legte es um und verbarg es unter seinem Hemd, um dem Burschen einen Gefallen zu tun.
    Spät nachts saßen die beiden jungen Männer in ihren Sesseln und dösten, eingelullt von den Gebeten des Webers eine Etage tiefer. Gilman lauschte ihnen, obwohl er immer wieder einnickte; sein unnatürlich geschärftes Gehör schien auf ein leises gefürchtetes Murmeln hinter den Geräuschen des alten Hauses zu horchen. Unangenehme Erinnerungen an Gelesenes aus dem Necronomicon und dem Schwarzen Buch tauchten in seinen Gedanken auf, und er ertappte sich dabei, wie er sich zu den schändlichen Rhythmen wiegte, die angeblich zu den schwärzesten Zeremonien des Sabbats gehörten und von außerhalb des uns bekannten Zeit- und Raumgefüges stammen.
    Alsbald erkannte er, worauf er da horchte – auf den höllischen Gesang der Ritualteilnehmer im fernen schwarzen Tal. Wieso wusste er,

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