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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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worauf sie aus waren? Woher kannte er den Zeitpunkt, an dem Nahab und ihr Gefolge die übervolle Schüssel bringen sollten, die dem schwarzen Hahn und der schwarzen Ziege folgte? Er sah, dass Elwood eingeschlafen war, und versuchte, ihn zu wecken. Doch als er nach ihm rufen wollte, schnürte irgendetwas ihm die Kehle zu. Er war nicht mehr Herr seiner selbst. Hatte er etwa doch im Buch des schwarzen Manns unterschrieben?
    Dann vernahm er mit seinem fieberhaften, abnormen Gehör die fernen, vom Wind herbeigetragenen Töne. Über viele Kilometer hinweg, über Hügel und Felder und Gassen kamen sie, und doch erkannte er sie. Die Feuer mussten nun entfacht sein und die Tänzer reihten sich zum Tanz. Wie konnte er dem Drang widerstehen, dort hinzugehen? Was bloß hielt ihn derart im Bann? Mathematik – volkstümliche Überlieferungen – das Haus – die alte Keziah – Brown Jenkin … und jetzt sah er, dass in der Wand neben seinem Sofa ein neues Rattenloch war. Über das ferne Singen und das nahe Beten des Joe Mazurewicz legte sich ein anderes Geräusch – ein verstohlenes, aber bestimmtes Scharren in den Zwischenwänden. Er hoffte, dass das elektrische Licht nicht versagen würde. Dann sah er das bärtige kleine reißzahnbewehrte Gesicht im Rattenloch – das verfluchte kleine Gesicht, das, wie er endlich feststellte, eine so schockierende Ähnlichkeit mit dem der alten Keziah aufwies –, und er hörte, wie sich jemand leise an der Tür zu schaffen machte.
    Die schreienden, dämmrigen Abgründe blitzten vor ihm auf, und er war hilflos im schwammigen Griff der schimmernden Blasenmasse. Ihm vorweg raste das kleine kaleidoskopische Polyeder, und im ganzen schäumenden Abgrund wurden die undeutlichen Klangmuster immer schneller und lauter, schienen auf einen unaussprechlichen und unerträglichen Höhepunkt hinzusteuern. Er schien zu wissen, was kommen würde – das ungeheuerliche Bersten des Walpurgisrhythmus, in dessen kosmischer Klangfarbe sich all das urzeitliche Raum-Zeit-Brodeln konzentrierte, das hinter den gedrängten Sphären der Materie lag und zuweilen in gemessenem Widerhall hervorbrach, jede Daseinsschicht durchdrang und in allen Welten gewissen gefürchteten Zeiten ihre schreckliche Bedeutung verlieh.
    Doch all das löste sich binnen einer Sekunde in nichts auf. Er befand sich erneut in dem engen violett erleuchteten Raum mit der spitzen Decke und dem abfallenden Boden, mit den niedrigen Regalen voller alter Bücher, der Bank und dem Tisch, den sonderbaren Gegenständen und dem dreieckigen Loch auf der einen Seite. Auf dem Tisch lag eine kleine weiße Gestalt – ein kleiner Junge, nackt und ohnmächtig –, und dahinter stand die monströse, glotzäugige alte Frau mit einem glänzenden Messer, das einen grotesken Griff besaß, in der Rechten; in der Linken hielt sie eine merkwürdig geformte Schüssel aus hellem Metall, die mit eigenartig ziselierten Mustern bedeckt war und an den Seiten fein gearbeitete Griffe besaß. Mit krächzender Stimme sang sie einen Ritualtext in einer Gilman unbekannten Sprache, die aber nach etwas klang, das im Necronomicon andeutungsweise beschrieben wird.
    Als er alles deutlicher erkennen konnte, sah er, dass die alte Vettel sich vorbeugte und ihm über den Tisch die leere Schüssel reichte – unfähig, seine Bewegungen zu kontrollieren, streckte er die Arme aus und nahm die Schüssel mit beiden Händen entgegen, wobei er ihr relativ geringes Gewicht bemerkte. Im selben Augenblick kletterte die scheußliche Gestalt von Brown Jenkin über den Rand des dreieckigen schwarzen Abgrunds zu seiner Linken. Die Greisin bedeutete ihm nun, die Schüssel in einer bestimmten Weise zu halten, während sie das riesige groteske Messer so hoch über das kleine weiße Opfer erhob, wie ihr rechter Arm es zuließ. Das Pelzwesen mit den Reißzähnen fing an, eine Fortsetzung des unbekannten Rituals zu schnattern, während die Hexe in widerwärtiger Weise antwortete. Durch Gilmans geistige und seelische Betäubung schoss nun ein so heftiger Ekel, dass die leichte Metallschüssel in seinen Händen bebte. Eine Sekunde später brach das Herabschnellen des Messers endgültig den Bann: Er ließ die Schüssel los, die mit einem glockenhellen Laut zu Boden fiel, und streckte panisch die Arme aus, um der ungeheuerlichen Tat Einhalt zu gebieten.
    Augenblicklich hatte er den Tisch umrundet und rang der Alten das Messer aus den Klauen – es fiel klappernd auf den Boden und über den Rand des schmalen,

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