Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)
und halb durch das Versprechen erweiterten Zugangs zu Büchereien und größerer Reisefreiheit verlockt – für das Zentralarchiv der Großen Rasse verfertigte. Diese Archive befanden sich in einem gewaltigen unterirdischen Bauwerk ungefähr in der Stadtmitte und waren mir durch häufige Arbeiten und Konsultationen bald wohlvertraut. Dieses titanische Wissenslager war dazu bestimmt, so alt wie die Rasse selbst zu werden und die schlimmsten Erdbeben zu überstehen, und es übertraf alle anderen Gebäude in seiner massiven, felsengleichen Standfestigkeit.
Die Aufzeichnungen wurden auf große Bögen eines merkwürdig zähen Zellstoffes geschrieben oder gedruckt, und diese Bögen wurden zu Büchern gebunden, die von oben aufgeschlagen und in einzelnen Kassetten aufbewahrt wurden, die aus einem fremdartigen, äußerst leichten und rostfreien Metall bläulicher Färbung bestanden, mit mathematischen Mustern verziert waren und Titel in den krummlinigen Hieroglyphen der Großen Rasse trugen.
Diese Kassetten wiederum wurden in Reihen rechteckiger Nischen aufbewahrt, die wie geschlossene, verriegelte Schränke aussahen, aus demselben rostfreien Metall bestanden und sich mit raffiniert gedrechselten Knäufen öffnen und schließen ließen. Der von mir verfassten Historie wurde ein spezifischer Platz in den Gewölben der untersten Ebene der Wirbeltiere zugewiesen – der Teil, der den Kulturen der Menschen und jenen der warm- und kaltblütigen Rassen gewidmet war, die der Menschheit als Beherrscher der Erde unmittelbar vorausgegangen waren.
Doch vermittelte keiner dieser Träume mir je ein vollständiges Bild des täglichen Lebens. Sie waren alle bloß vernebelte, unzusammenhängende Bruchstücke, und es ist sicher, dass diese Bruchstücke nicht in der richtigen Reihenfolge auftraten. So habe ich beispielsweise nur eine sehr unzulängliche Vorstellung von meinen Lebens- und Wohnumständen in der Traumwelt, auch wenn ich anscheinend über ein eigenes großes Zimmer aus Stein verfügte. Nach und nach wurden die Beschränkungen meiner Gefangenschaft gelockert, denn manche meiner Visionen beinhalteten lebhafte Reiseeindrücke von gewaltigen Dschungelstraßen, merkwürdigen Städten und riesigen dunklen, fensterlosen Ruinen, vor denen die Große Rasse eine eigentümliche Furcht hegte. Es gab auch lange Seereisen in großen, unglaublich schnellen Schiffen mit mehreren Decks und Flüge über wilde Gebiete in geschlossenen, raketenförmigen Luftschiffen, die von elektrischer Abstoßung bewegt wurden.
Jenseits des weiten, warmen Ozeans befanden sich weitere Städte der Großen Rasse, und auf einem entlegenen Kontinent sah ich die ungeschlachten Dörfer der schwarzschnäuzigen, geflügelten Kreaturen, die sich – nachdem die Große Rasse ihre führenden Geister in die Zukunft gesandt haben würde, um dem kriechenden Grauen zu entgehen – zur dominanten Rasse entwickeln sollte. Die Landschaften waren stets von flachen Ebenen und üppigem Grün geprägt. Es gab nur wenige, niedrige Hügel, die auf vulkanische Aktivität hinwiesen.
Über die Tiere, die ich sah, könnte ich ganze Bände schreiben. Sie waren alle wild, hatte doch die mechanisierte Kultur der Großen Rasse das Domestizieren von Tieren längst überflüssig gemacht – ihre Nahrung war gänzlich pflanzlich oder synthetisch. Klobige Echsen von großem Umfang suhlten sich in dampfenden Sümpfen, flogen durch die schwere Luft oder schwammen in den Seen und Meeren; ich glaubte, unter ihnen undeutlich die archaischen Prototypen vieler Formen wiederzuerkennen, mit denen uns die Paläontologie vertraut gemacht hat – Dinosaurier, Pterodaktyle, Ichthyosaurier, Labyrinthodonten, Plesiosaurier und dergleichen mehr. Von Vögeln oder Säugetieren sah ich keine Spur.
Der Erdboden und die Sümpfe waren beständig von Leben erfüllt: Schlangen, Eidechsen und Krokodile; unaufhörlich umschwirrten Insekten die üppige Vegetation. Und weit draußen auf dem Meer spritzten unsichtbare und unbekannte Monstren gebirgshohe Dampfsäulen in den dunstigen Himmel. Einmal fuhr ich in einem riesigen Unterseeboot mit Suchscheinwerfern durch den Ozean und erblickte ein paar lebendige Schreckensbilder von unglaublicher Größe. Außerdem sah ich die Ruinen erstaunlicher versunkener Städte und den Reichtum an Wirbellosen, Brachiopoden, Korallen und Fischen – Leben, das überall gedieh.
Über die Physiologie, Psychologie, Brauchtümer und detaillierte Geschichte der Großen Rasse bewahrten meine
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