Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)
sie die Eingänge versiegelt und die anderen ihrem Schicksal überlassen. Später hatten sie die meisten ihrer großen Städte übernommen und einzelne wichtige Gebäude aus Gründen erhalten, die mehr mit Aberglauben zu tun hatten als mit Gleichgültigkeit, Kühnheit, wissenschaftlicher oder historischer Neugierde.
Doch während die Äonen verstrichen, mehrten sich undeutliche üble Anzeichen, dass diese Älteren Wesen in der inneren Welt an Stärke und Zahl zunahmen. Es gab sporadische Überfälle von besonders scheußlicher Art auf einzelne kleine und entlegene Städte der Großen Alten und auf manche der verlassenen älteren Städte, welche die Große Rasse nicht besiedelt hatte – Orte, wo die Abstiege zu den unteren Schluchten nicht sorgfältig genug versiegelt oder bewacht worden waren.
Danach wurden gründlichere Vorkehrungen getroffen und viele der Abstiege für immer verschlossen – doch einige wenige versah man zu strategischen Zwecken mit versiegelten Falltüren, um die Älteren Wesen zu bekämpfen, sollten sie je an unerwarteten Orten hervorbrechen.
Die Überfälle der Älteren Wesen müssen unbeschreibbar schrecklich gewesen sein, da sie die psychische Verfassung der Großen Rasse dauerhaft prägten. Das erstarrte Grauen war so groß, dass man noch nicht einmal das Aussehen der Kreaturen erwähnte. Zu keinem Zeitpunkt war ich fähig, mir ein klares Bild von ihrem Äußeren zu machen.
Es gab verschleierte Andeutungen einer monströsen Verformbarkeit und einer zeitweise auftretenden Unsichtbarkeit, und andere geflüsterte Bruchstücke bezogen sich auf ihre Kontrolle und militärische Nutzung von starken Winden. Eigenartige Pfeifgeräusche und kolossale Fußspuren aus fünf kreisförmigen Zehenabdrücken schien man ebenfalls mit ihnen in Verbindung zu bringen.
Es war offenkundig, dass das kommende Verhängnis, das die Große Rasse so verzweifelt fürchtete – das Verhängnis, das eines Tages Millionen kluger Geister über den Abgrund der Zeit hinweg in fremde Leiber in der sicheren Zukunft senden sollte –, mit einem finalen erfolgreichen Überfall der Älteren Wesen zu tun hatte.
Mentale Projektionen hatten im Laufe der Zeit eindeutig ein solch grausiges Geschehen vorhergesagt, und die Große Rasse hatte beschlossen, dass niemand, der ihm entgehen konnte, es miterleben sollte. Dass es sich bei dem Vorstoß um eine Frage der Rache und nicht um einen Versuch zur Rückeroberung der Außenwelt handelte, konnten sie aus der späteren Geschichte des Planeten ersehen – denn ihre Projektionen zeigten das Kommen und Gehen aufeinanderfolgender Rassen, die von den ungeheuerlichen Wesen nicht gestört wurden.
Vielleicht gaben diese Wesen den inneren Schluchten der Erde mittlerweile sogar den Vorzug gegenüber der wechselhaften, sturmverheerten Oberfläche; das Licht bedeutete ihnen ja nichts. Vielleicht wurden sie im Laufe der Äonen auch schwächer. Tatsächlich war bekannt, dass sie in der Epoche der nachmenschlichen Käferrasse, die die flüchtenden Geister einst bewohnen sollten, so gut wie tot sein würden.
In der Zwischenzeit hielt die Große Rasse ihre wachsame Hut aufrecht, und ihre mächtigen Waffen waren allzeit bereit, obwohl das angsterfüllte Thema aus der Sprache und allen sichtbaren Aufzeichnungen entfernt worden war. Und immerzu hing der Schatten einer namenlosen Furcht über den versiegelten Falltüren und den dunklen, fensterlosen alten Türmen.
V
Dies ist die Welt, aus der mir meine Träume allnächtlich einen trüben, bruchstückhaften Widerschein brachten. Ich glaube nicht, eine wirkliche Vorstellung vom Grauen und den Bedrohungen dieses Widerscheins vermitteln zu können, da diese Gefühle hauptsächlich einem gänzlich ungreifbaren Phänomen entsprangen – der nagenden Empfindung, eine Art von Erinnerung zu erleben.
Wie ich schon sagte, boten meine Studien mir allmählich einen Schutz vor diesen Gefühlen – rationale psychologische Erklärungen. Und dieser rettende Einfluss wurde noch verstärkt durch den subtilen Anflug von Gewöhnung, der sich im Laufe der Zeit einstellte. Doch trotz allem kehrte der unklare, kriechende Schrecken dann und wann für Augenblicke zurück. Er ergriff mich jedoch nicht mehr so stark wie zuvor; nach 1922 führte ich ein recht normales Leben, das von Arbeit und Erholung geprägt war.
Im Laufe der Jahre gelangte ich zu dem Entschluss, meine Erfahrungen – ebenso wie die verwandten Fälle und die damit in Verbindung stehenden Überlieferungen –
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