Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)
Vorkehrungen in Australien. Wir machten in der Öffentlichkeit keine allzu spezifischen Angaben über unser Ziel, da die Sache auf unangenehme Weise eine sensationsheischende und höhnische Behandlung durch die Regenbogenpresse herausgefordert hätte. Dementsprechend unvollständig waren die gedruckten Berichte, doch erfuhr man genug über unsere Suche nach mutmaßlichen australischen Ruinen und über unsere einleitenden Vorkehrungen.
Professor William Dyer von der geologischen Abteilung der Hochschule – Leiter der Miskatonic-Antarktis-Expedition von 1930/31 –, Ferdinand C. Ashley von der Abteilung für Vor- und Frühgeschichte und Tyler M. Freeborn von der anthropologischen Abteilung bildeten – zusammen mit meinem Sohn Wingate – meine Begleitung.
Anfang 1935 kam mein Briefpartner Mackenzie nach Arkham, um uns dort bei den letzten Vorbereitungen zu unterstützen. Er stellte sich als überaus fähiger und liebenswürdiger Mann von rund fünfzig Jahren und von bewundernswerter Bildung heraus, der mit allen Umständen der Fortbewegung in Australien eingehend vertraut war.
In Pilbarra ließ er Lastwagen bereitstellen, und wir charterten einen Trampdampfer, der klein genug war, um den Fluss hinaufzugelangen. Wir waren darauf vorbereitet, die Ausgrabungen in der sorgfältigsten und wissenschaftlichsten Art und Weise durchzuführen, jeden Zoll Sand zu durchsieben und nichts zu zerstören, was sich noch annähernd in seinem Originalzustand befand.
Am 28. März 1935 verließen wir Boston an Bord des asthmatisch keuchenden Dampfers Lexington und erlebten eine müßige Fahrt über den Atlantik und das Mittelmeer, durch den Suezkanal, das Rote Meer hinab und über den Indischen Ozean in Richtung unseres Ziels. Ich muss wohl nicht erwähnen, wie sehr mich der Anblick der flachen, sandigen Küste Westaustraliens deprimierte und wie sehr ich die grobschlächtigen Bergwerksstädte und öden Goldfelder verabscheute, wo man die Lastwagen belud.
Dr. Boyle, der uns dort erwartete, erwies sich als älterer, angenehmer und intelligenter Mann – seine Kenntnisse auf dem Gebiet der Psychologie führten zu vielen langen Diskussionen mit meinem Sohn und mir.
In den meisten von uns mischten sich Unbehagen und Vorfreude auf eigentümliche Weise, als unsere Gruppe von achtzehn Mann endlich über die trockenen Weiten aus Sand und Fels dahinratterte.
Am Freitag, dem 31. Mai, durchwateten wir einen Nebenfluss des De Grey River und betraten das Reich schierer Verwüstung. Ein bestimmtes Grauen wuchs in mir, während wir uns der wahrhaftigen Stätte der älteren Welt hinter den Legenden näherten – und dieses Grauen wurde natürlich noch von der Tatsache bestärkt, dass mich die verstörenden Träume und Pseudo-Erinnerungen nach wie vor mit unverminderter Macht heimsuchten.
Am Montag, dem dritten Juni, sahen wir die halb begrabenen Steinblöcke zum ersten Mal. Ich kann die Gefühle nicht beschreiben, mit denen ich erstmals in der objektiven Wirklichkeit ein Bruchstück des zyklopischen Mauerwerks berührte, das in jeder Hinsicht den Mauerblöcken meiner Traumgebäude glich. Es gab deutlich erkennbare Spuren von Reliefs – und meine Hände zitterten, als ich Teile des krummlinigen Dekormusters erkannte, das dank jahrelanger quälender Albträume und verwirrender Nachforschungen eine teuflische Bedeutung für mich angenommen hatte.
Der erste Grabungsmonat brachte insgesamt 1.250 Blöcke in verschiedenen Stufen der Abnutzung und des Verfalls zum Vorschein. Bei den meisten handelte es sich um geschnitzte Megalithen mit abgerundeten Ober- und Unterseiten. Eine geringere Anzahl war kleiner, flacher, mit glatten Oberflächen und rechteckig oder achteckig geschnitten – ganz wie die Steine der Fußböden und Gehwege in meinen Träumen –, während einige wenige einzigartig massiv und solcherart gekrümmt oder geneigt waren, dass sie auf eine Verwendung beim Spannen eines Gewölbes oder eines Gratbogens hinwiesen, als Teil von Bögen oder runden Fenstereinfassungen.
Je tiefer – und je weiter in nördlicher und östlicher Richtung – wir gruben, desto mehr Blöcke entdeckten wir – aber nach wie vor vermochten wir kein Anordnungsmuster zu erkennen. Professor Dyer zeigte sich entsetzt über das unermessliche Alter der Fundstücke, und Freeborn fand Spuren von Symbolen, die in unklarer Weise mit gewissen uralten Legenden der Papua und Polynesier zusammenpassten. Der Zustand und die wahllose Anordnung der Blöcke waren stumme Zeugen
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