Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)
den Pfeilern auf die Arten und Unterarten der Bände.
Einmal blieb ich vor einer offenen Nische stehen, wo ich einige der gewohnten Metallkassetten noch an ihrem Platz inmitten des allgegenwärtigen Staubes sah. Ich griff nach oben, zog mit einiger Schwierigkeit eines der dünneren Exemplare heraus und legte es zur Betrachtung auf den Boden. Der Titel war in den vorherrschenden krummlinigen Hieroglyphen wiedergegeben, doch irgendetwas an der Anordnung der Schriftzeichen kam mir auf unterschwellige Weise sonderbar vor.
Der seltsame Mechanismus des mit einem Haken versehenen Verschlusses war mir vollkommen geläufig; ich ließ den noch immer rostfreien und funktionstüchtigen Deckel aufschnappen und nahm das Buch heraus. Dieses maß wie erwartet ungefähr fünfzig auf vierzig Zentimeter und war fünf Zentimeter dick; der dünne Metalldeckel ließ sich oben öffnen.
Die harten Zellstoffseiten schienen unter den zahllosen verstrichenen Jahrtausenden nicht gelitten zu haben, und ich betrachtete die eigenartig pigmentierten, mit einem Pinsel gezogenen Lettern des Textes – Symbole, die weder den üblichen krummlinigen Hieroglyphen noch irgendeinem der Menschheit bekannten Alphabet ähnelten –, und der Anblick weckte gespenstische, halb verdeckte Erinnerungen in mir.
Mir fiel ein, dass dies die Sprache eines gefangenen Geistes war, den ich in meinen Träumen oberflächlich gekannt hatte – ein Geist von einem großen Asteroiden, auf dem viel von dem archaischen Leben und den archaischen Lehren des Planeten überlebt hatte, von dem er ursprünglich ein Teil gewesen war. Gleichzeitig erinnerte ich mich, dass diese Ebene des Archivs den Büchern über die anderen Planeten außer der Erde vorbehalten war.
Als ich aus meiner Versenkung in dieses unglaubliche Dokument erwachte, sah ich, dass das Licht meiner Taschenlampe zu flackern begann, und rasch setzte ich die zusätzliche Batterie ein, die ich stets bei mir trug. Mit stärkerem Licht bewaffnet setzte ich dann mein fieberhaftes Voraneilen durch das endlose Gewirr von Seitengängen und Korridoren fort – dann und wann erkannte ich ein mir vertrautes Regal, und ich ärgerte mich über den unpassenden Widerhall, den meine Schritte unter den akustischen Bedingungen dieser Katakomben auslösten.
Der bloße Abdruck meiner Schuhe in dem seit Jahrtausenden unberührten Staub ließ mich erschaudern. Wenn meine irrsinnigen Träume auch nur einen wahren Kern enthielten, dann hatten nie zuvor die Füße eines Menschen dieses uralte Pflaster berührt.
Vom eigentlichen Ziel dieser wahnwitzigen Hetze hatte mein waches Bewusstsein keine Ahnung. Doch zerrte irgendeine böse Macht an meinem vernebelten Willen und meinen begrabenen Erinnerungen und verlieh mir das Gefühl, nicht aufs Geratewohl hier herumzulaufen.
Ich gelangte an eine nach unten führende Schiefebene und folgte ihr hinab in die Tiefe. Ich raste an verschiedenen Stockwerken vorbei und hielt nicht inne, um sie zu erkunden. In meinem vom Chaos umbrandeten Hirn hatte ein gewisser Rhythmus zu schlagen begonnen, der meine rechte Hand im Takt zucken ließ. Ich wollte irgendetwas öffnen und spürte, dass mir alle dazu nötigen Dreh- und Drückbewegungen vertraut waren – wie bei einem modernen Safe mit Kombinationsschloss.
Ob nun Traum oder nicht, ich hatte es einst gewusst und wusste es immer noch. Wie ich durch irgendeinen Traum – oder durch einen Teil einer unbewusst von mir aufgenommenen Legende – ein so winziges, so kniffliges und komplexes Detail hätte erlernen sollen, versuchte ich mir nicht einmal mehr zu erklären. Alles zusammenhängende Denken hatte ich hinter mir gelassen. Denn war nicht dieses ganze Erlebnis – diese bestürzende Vertrautheit mit unbekannten Ruinen und diese ungeheuerlich exakte Übereinstimmung all dessen, was ich sah, mit dem, was mir nur Träume und Bruchstücke von Mythen eingeflüstert haben konnten – war das nicht ein Grauen fernab aller Vernunft?
Damals, wie auch jetzt in meinen klareren Momenten, war es wohl meine grundlegende Überzeugung, dass ich überhaupt nicht wach und die gesamte begrabene Stadt nur Teil eines Fiebertraumes war.
Schließlich gelangte ich in die tiefste Etage und bog von der Schiefebene nach rechts ab. Aus unerfindlichen Gründen versuchte ich nun, sanfter aufzutreten, auch wenn ich dadurch an Geschwindigkeit einbüßte. In dieser letzten, tief vergrabenen Etage gab es einen Raum, den zu durchqueren ich fürchtete.
Als ich meinem Ziel näher kam,
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