Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)
Adam-Epoche; im hinteren Teil des Hauses befand sich eine Reihe von Zimmern, die drei Stufen unterhalb des allgemeinen Fußbodenniveaus lagen.
Blakes Arbeitszimmer, eine große südwestlich gelegene Kammer, überblickte nach einer Seite den Vordergarten, während die westlichen Fenster – vor einem davon stand sein Schreibtisch – dem Hang des Hügels abgewandt lagen und einen prachtvollen Blick auf die sich ausbreitenden Dächer der Unterstadt und den dahinter aufflammenden mystischen Sonnenuntergang boten. Am fernen Horizont waren die violetten Hänge des offenen Landes zu sehen; vor diesen erhob sich in ungefähr drei Kilometern Entfernung der gespenstische Buckel des Federal Hill, strotzend von zusammengedrängten Dächern und Türmen, deren ferne Umrisse geheimnisvoll schwankten und fantastische Formen annahmen, wenn der Rauch der Stadt zu ihnen aufwirbelte und sie umstrickte. Blake hatte dabei die eigenartige Empfindung, er blicke auf eine unbekannte ätherische Welt, die sich vielleicht wie ein Traum auflösen würde, sollte er je versuchen, sie persönlich aufzusuchen.
Nachdem er nach seinen Büchern geschickt hatte, erwarb Blake einige antike Möbel, die seiner Unterkunft angemessen waren, und ließ sich zum Schreiben und Malen nieder – er lebte allein und kümmerte sich selbst um die einfache Hausarbeit. Sein Atelier befand sich in einer nördlich gelegenen Dachkammer, wo die Fensterscheiben im Giebeldach ein bemerkenswertes Licht bewirkten. Im Laufe jenes ersten Winters brachte er fünf seiner bekanntesten Kurzgeschichten hervor – Der Gräber tief unten, Die Stufen in der Gruft, Shaggai, Im Tale von Pnath und Der Fresser von den Sternen – und bemalte sieben Leinwände: Studien namenloser, unmenschlicher Monstren und zutiefst fremdartiger, unirdischer Landschaften.
Bei Sonnenuntergang saß er oftmals an seinem Schreibtisch und blickte verträumt auf das westliche Panorama – sah die dunklen Türme der Memorial Hall direkt unterhalb des Hügels, den Glockenturm des georgianischen Gerichtsgebäudes, die hohen Spitztürme der Innenstadt und jenen schimmernden, spitzengekrönten Hügel in der Ferne, dessen unbekannte Straßen und labyrinthische Giebel seine Fantasie so machtvoll herausforderten. Von seinen wenigen Bekannten hier erfuhr er, dass sich auf dem entlegenen Abhang ein großes italienisches Viertel befinde, obwohl die meisten Häuser Überbleibsel aus den alten Tagen der Yankees und Iren seien. Dann und wann erprobte er seinen Feldstecher an jener gespenstischen, unerreichbaren Welt jenseits des sich kräuselnden Rauchs; er pickte sich einzelne Dächer, Schornsteine und Kirchtürme heraus und stellte Mutmaßungen über die bizarren und eigenartigen Geheimnisse an, die sie beherbergen mochten. Selbst mit optischen Hilfsmitteln betrachtet, schien der Federal Hill irgendwie fremdartig, halb sagenhaft und verbunden mit den unwirklichen, unfassbaren Wundern von Blakes Erzählungen und Bildern. Diese Empfindung hielt noch lange vor, nachdem der Hügel im violetten, von Laternen besternten Zwielicht versunken war und das Flutlicht des Gerichtsgebäudes und das rote Werbezeichen des Industrial Trust aufgeflammt waren und die Nacht grotesk erscheinen ließen.
Von allen fernen Objekten auf dem Federal Hill faszinierte eine große dunkle Kirche Blake am meisten. Sie hob sich zu gewissen Tageszeiten besonders deutlich ab, und im Sonnenuntergang ragte der große Turm mit seiner auffälligen Spitze schwarz und drohend in den flammenden Himmel. Die Kirche schien besonders hoch zu liegen; denn die rußige Fassade und die aus der Schräge gesehene Nordseite mit dem geneigten Dach und den oberen Enden der großen Spitzfenster erhob sich kühn über dem Gewirr der sie umgebenden Firstbalken und Schornsteinaufsätze. Sie war eigenartig düster und streng und schien aus Stein erbaut zu sein, befleckt und verwittert vom Rauch und von den Stürmen eines Jahrhunderts oder mehr. Vom Stil her war sie, soweit das Fernglas erkennen ließ, in jener frühesten experimentellen Form der Neugotik gehalten, die der pompösen Upjohn-Periode voranging und einige der Formen und Proportionen des georgianischen Zeitalters beibehielt. Vielleicht war sie um 1810 oder 1815 errichtet worden.
Während die Monate dahingingen, betrachtete Blake das entlegene, irgendwie bedrohliche Bauwerk mit merkwürdig steigendem Interesse. Da in den gewaltigen Fenstern nie Licht zu sehen war, nahm er an, dass die Kirche leer stand. Je länger er
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