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Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache

Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache

Titel: Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Lake
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wohl sein, durch die Augen eines Tieres zu sehen? Sie hätte ihn gern danach gefragt, doch ein Blick auf den vorausreitenden Sänger hielt sie davon ab.
    »Hoffentlich sind wir bald am Fluss«, sagte sie nur.
     
    Am Nachmittag hörten sie das Rauschen des Wassers durch die Bäume.
    »Wir überqueren den Fluss gleich hier«, rief Cluaran.
    Sie näherten sich dem Fluss. Es regnete jetzt heftiger und Wind kam auf und wehte die Tropfen von den Ästen auf sie herunter. Als Cluaran die braunen Fluten sah, runzelte er die Stirn.
    »Wir haben einfach keine andere Wahl«, sagte er. »Die nächste Brücke bei Oferstow ist einige Meilen entfernt, und wir sollten menschliche Ansiedlungen meiden, nachdem ihr in Glastening so viele Leute auf euch aufmerksam gemacht habt.« Er sprang in den Schlamm am Ufer und bedeutete Adrian, es ihm nachzutun. »Ich prüfe zuerst, wie tief das Wasser ist.«
    Adrian nahm die Zügel beider Pferde und Cluaran watete in die trüben Fluten. An einigen Stellen ging ihm das Wasser bis zur Hüfte, doch kam er stetig voran. Plötzlich stolperte er und ging unter. Elsa erschrak – doch im nächsten Moment tauchte er wieder auf, stand allerdings bis zur Brust im Wasser. Er drehte sich zu ihnen um und rief etwas, was im Rauschen des Wassers unterging. Wild fuchtelnd und mit aufgerissenen Augen zeigte er auf eine Stelle hinter ihnen im Wald.
    Adrian fuhr herum. Aus den Bäumen kam eine gedrungene braune Gestalt, dann noch eine und dann gleich vier oder fünf. Stumpfe Schnauzen, kleine, von rötlichen Borsten verdeckte Augen und geschwungene Hauer, die im trüben Licht aufleuchteten.
    Die Wildschweine marschierten zielstrebig und ohne innezuhalten auf sie zu. Adrian sah Elsa die rechte Hand heben, an der bereits silbern der Handschuh blitzte, doch dann ging die Stute durch und verschwand mit Elsa im Wald. Die beiden Wallache bäumten sich auf, rissen Adrian die Zügel aus der Hand und folgten ihrer Stallgefährtin. Die Wildschweine näherten sich Adrian.
    Adrian hatte schon viele Wildschweine gesehen und auch gejagt, aber keins war so groß gewesen wie der Anführer der Rotte, ein wahrer König unter seinesgleichen. Er war fast so groß wie Adrian, und seine Hauer standen wie Säbelklingen vom Kopf ab. Adrian wusste, was Wildschweine anrichten konnten. Auf einer Jagd mit einem adligen Herrn in Sussex hatte er einen Jäger gesehen, dem ein Eber die Hauer in die Lenden gerammt hatte. Der Mann war verblutet, bevor sie ihn nach Hause hatten bringen können.
    Adrian sah sich verzweifelt nach einem Stock um, mit dem er die Wildschweine abwehren konnte.
    »Kämpfe nicht gegen sie!«, hörte er Cluaran über das Wasser rufen. »Lauf weg! Steig auf einen Baum!«
    Der Königseber griff an. Adrian sprang an einer schmächtigen Erle hoch und zog sich im letzten Moment an den dünnen Ästen hinauf. Der Eber prallte gegen den Stamm.
    Der Baum erzitterte. Adrian suchte nach einem besseren Halt an den nassen Ästen, verdrehte dabei seinen verletzten Arm und schrie auf. Unter ihm umringten ein Dutzend Wildschweine den Baum. Ihre Augen glühten wie Kohlen und ihre Hauer schimmerten wie teuflische Waffen.
    Ein markerschütterndes Gebrüll ertönte. Adrian sah Cluaran schreiend zwischen den Bäumen hindurchrennen. Blitzschnell schleuderte er einen Armvoll Steine auf die Wildschweine. Die kleineren Tiere flohen, doch der Königseber harrte aus, bis ein Stein ihn zwischen die Augen traf. Jetzt wich auch er zurück, grub mit den Füßen tiefe Furchen in den aufgeweichten Boden, wandte sich um und lief den anderen nach. Mit einem erstickten Seufzer rutschte Adrian den Baum hinunter und landete vor Cluarans Füßen.
    Cluaran half ihm auf, ohne den Schmerzensschrei zu beachten, der Adrian entfuhr, als er ihn an seinem verletzten Arm packte. »So etwas habe ich noch nie gesehen«, murmelte er. »Einen Eber dieser Größe darf es eigentlich gar nicht geben, es sei denn …« Er verstummte. »Aber wir haben genug Sorgen und brauchen nicht auch noch gegen ein Riesenschwein zu kämpfen. Die Wächter folgen bestimmt schon unserer Spur. Und wir stehen hier ohne Pferde und haben meinen Ranzen und das Mädchen verloren.« Er runzelte die Stirn. »So eine Närrin! Besitzt das Schwert, lässt aber ihr Pferd mit ihr durchgehen, als wäre sie nur eine Satteltasche.«
    Adrian wurde wütend. Natürlich war er Cluaran dankbar dafür, dass er die Wildschweine verscheucht hatte, aber was fiel diesem dahergelaufenen Sänger ein, das Mädchen zu

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