Chroniken der Dunkelheit - 03 - Feuerkreis
in ihrem ganzen Körper aus, stiegen wie eine Springflut immer höher und schlugen über ihr zusammen, bis sie Atemnot bekam. Ihr eigenes Geschrei klang ihr in den Ohren. Sie hörte, wie Cathbar versuchte sie zu beruhigen, aber er klang weit entfernt und schien nicht zu begreifen, dass nicht sie schrie, sondern Ioneth.
Pst! ,wollte sie sagen. Wir sind in Sicherheit, er ist weg.
»Was können wir denn tun?« Das war Adrians Stimme und sie klang so ratlos, wie sie ihn nur selten gehört hatte. »Sie hat solche Schmerzen …«
»Dieses Stärkungsmittel müsste ihr helfen.« Das war Eolande. »Sie muss sich nur so weit beruhigen, dass sie es einnehmen kann.«
Wovon sprachen sie? Elsa wollte ihnen sagen, dass sie schon ganz ruhig war und die Medizin einnehmen konnte – dass sie Ioneth helfen mussten. Aber obwohl ihre Lippen sich bewegten, kam kein Wort heraus. Schließlich war es ja ihr Mund, der schrie. Sie nahm ihre ganze Kraft zusammen und zwang sich, tief durchzuatmen und die schrecklichen Schmerzensschreie zu unterdrücken. Irgendwo tief in ihr verstummte auch Ioneth.
»So«, sagte Eolande. »Hebt sie ein wenig an.«
Sie spürte, wie ihr Oberkörper angehoben wurde. Jemand hielt ihr einen Becher an die Lippen und eine warme, bitter schmeckende Flüssigkeit breitete sich in ihrem Mund aus. Ihre Kehle war ausgedörrt und wund, aber sie konnte die Flüssigkeit schlucken.
Nach einigen Schlucken ließen die Schmerzen ein bisschen nach und Elsa schöpfte Hoffnung. Vielleicht konnte sie jetzt wieder atmen, ohne gleich loszuschreien. Sie öffnete die Augen. Adrian hatte ihren Kopf an seine Schulter gebettet und blickte besorgt auf sie hinunter. Neben ihm kniete Eolande und hielt ihr den Becher mit dem Rest der Medizin hin.
»Wo ist Loki?«, wollte sie fragen, doch es kam kein Wort heraus, noch nicht.
Adrian bettete sie wieder auf den Boden und sie lauschte angestrengt auf die Stimmen der anderen, die sie abwechselnd hörte und nicht hörte.
»Sie kann nicht reisen!«, sagte Eolande entschieden. »Es wird noch Tage dauern, bis sie eine nennenswerte Strecke gehen kann.«
»Dann bleiben wir hier«, sagte Adrian. »Das Heiligtum schützt uns doch.«
»Aber nicht ausreichend«, erwiderte Cluaran. »Loki könnte es mit Flammen einschließen und wir könnten ihn nicht daran hindern. Es hat Eolande und mich schon unsere ganze Kraft gekostet, das Unwetter zu entfesseln, und wir konnten das Feuer nur mit Mühe zurückdrängen. Früher oder später fände er einen Weg herein.« Er blickte mit dunklen, traurigen Augen auf Elsa hinunter. »Loki hat mit ihr gespielt wie eine Katze mit einer Maus, aber er ist gescheitert. Das nächste Mal wird er es nicht mehr auf die sanfte Art versuchen. Wenn Elsa ihn nicht von seiner letzten Fessel befreit, wird er sie töten. Elsa ist seine einzige Hoffnung und zugleich sein stärkster Gegner. Loki braucht dieses Schwert – koste es, was es wolle.«
»Aber ich könnte zusammen mit ihr hierbleiben«, meinte Eolande. »Ich könnte eine schützende Hülle um uns weben, in der sie bis zur Genesung sicher ist.«
»Auch wenn das tagelang dauert?«, fragte Cluaran. »Und wie würdet ihr dann zu uns stoßen? Nein, ich habe einen besseren Vorschlag.« Er senkte die Stimme und Elsa hörte leises Murmeln und dann einen Protestschrei von Eolande. Doch so angestrengt sie lauschte, das Murmeln wurde immer schwächer. Sie spürte, dass sie erneut das Bewusstsein verlor.
»Elsa!«, flüsterte jemand an ihrem Ohr. Verschwommen sah sie Cluarans Gesicht über sich. »Loki wird wieder versuchen, dich zu holen, und zwar bald, solange du noch geschwächt bist. Hörst du mich?«
Elsa nickte.
»Ich kenne einen sicheren Ort, an dem er dir nichts tun kann«, fuhr Cluaran fort. »Aber ich kann nicht uns alle dorthin bringen, sondern nur dich. Wirst du mit mir kommen?«
Elsa öffnete die Augen weit. Sie wollte sich ihre Bestürzung nicht anmerken lassen. »Und wer beschützt Adrian?«
Cluarans Gesicht ließ keine Regung erkennen. »Er ist nicht mehr in Gefahr, sobald du weg bist«, sagte er. »Loki interessiert sich nicht für ihn.«
»Sobald du wieder gesund bist, kehrst du zu uns zurück.« Auch Eolande hatte sich über sie gebeugt. »Wir warten an der Küste auf dich und fahren dann mit dem Schiff nach Wessex. Dort gibt es einen Ort, an dem … an dem wir vielleicht alle sicher sind.«
Die Gesichter verschwammen wieder. Elsa bewegte sich und spürte am Rande ihres Bewusstseins, wie die Schmerzen sie
Weitere Kostenlose Bücher