Chroniken der Dunkelheit - 03 - Feuerkreis
wieder zu überwältigen drohten. Ioneth schluchzte, deshalb fiel es ihr schwer, die anderen zu verstehen.
»Ja«, krächzte sie.
»Dann wäre das beschlossen.« Eolandes Stimme wurde leiser. »Schlaf jetzt …«
»Wohin bringt Ihr sie?«, wollte Adrian wissen. Er war nicht bei Elsa geblieben, um sie an einen unbekannten Ort ziehen zu lassen – erst recht nicht jetzt, da Loki seine wahre Macht gezeigt hatte.
»In das Land unseres Volkes«, antwortete Cluaran. »Aus dem ich und Eolande stammen. Wir werden Elsa bis zu ihrer Genesung dort verstecken.«
»Aber wie wird man sie aufnehmen?« Eolandes Stimme klang besorgt. »Du weißt, wie wenig Fremde dort willkommen sind.«
»Wir haben keine andere Wahl«, sagte Cluaran. »Wir müssen das Schwert retten, wenn irgend möglich.«
»Ihr meint, wir müssen Elsa retten!«, fiel Adrian ihm ins Wort und sah ihn böse an.
Der Sänger erwiderte seinen Blick unbewegt. »Elsa natürlich auch«, sagte er.
Die wenigen Vorbereitungen waren schnell abgeschlossen. Sie füllten ihre Wasserflaschen und Cluaran teilte seinen Proviant unter den anderen auf. Die Fay würden ihn mit Essen versorgen, sagte er.
»Geht auf dem kürzesten Weg zur Küste und nehmt ein Schiff nach Wessex«, sagte er. »Wir brauchen Loki ab jetzt nicht mehr zu suchen. Er wird zu uns kommen. Wir können lediglich den Ort des Kampfes bestimmen. Eolande wird euch führen, ich komme mit Elsa nach.«
Cathbar und Eolande warteten am Rand des Steinkreises, während Adrian sich über Elsa beugte, um sich zu verabschieden.
Elsa schien in einen Dämmerzustand gefallen zu sein. Ihre Augen waren halb geschlossen, ihr Atem ging langsam. Als Adrian sprach, murmelte sie etwas, ließ die Augen aber zu.
»Wir sehen uns wieder, Elsa«, versprach er. »Geh mit Cluaran und werde gesund.«
Hinter Eolande und Cathbar stieg er in den verbrannten Wald hinab. Einmal sah er sich noch um: Cluaran stand mit zum Abschied erhobener Hand im Steinkreis, Elsa lag bewegungslos zu seinen Füßen.
Sie gingen nach Westen, ließen den Fluss hinter sich und kehrten zur Straße zurück. Adrian atmete unbeschwerter, als sie wieder unter grünem Laub waren, doch der Brandgeruch folgte ihnen noch lange.
Sie zwängten sich durch das dichte Unterholz. »Ich bin froh, wenn wir erst aus diesem Wald draußen sind«, brummte Cathbar. »Auf einer anständigen Straße kommen wir wieder besser voran.«
Adrian nickte, doch war es ihm egal, wie schnell sie vorankamen und wohin sie gingen. Er hatte Elsa zurücklassen müssen – und entfernte sich mit jedem Schritt weiter von ihr, ohne das Gefühl zu haben, dass er das Richtige tat.
Nach einer halben Ewigkeit erreichten sie die Straße. Die tief stehende Sonne beschien die von Wagenrädern zerfurchte und von Stiefeln zertrampelte Spur. Anderen Reisenden begegneten sie nicht, Dörfer waren nicht zu sehen. Cathbar lief voraus. Sie kamen gut voran, wie er angekündigt hatte. Bei Einbruch der Nacht hatten sie nach Adrians Schätzung bereits über drei Meilen zurückgelegt und den Wald weit hinter sich gelassen.
»Vermutlich befinden wir uns am südlichen Rand des Königreichs«, sagte Cathbar. »In höchstens einem Tag werden wir das Land der Sachsen erreichen und danach das fränkische Königreich – und von dort können wir ein Schiff nach Hause nehmen.«
Sie schliefen im Schutz einer Hecke am Straßenrand. Als sie aufwachten, dämmerte ein milder grauer Morgen herauf – und auf der Straße herrschte lebhafter Verkehr. Alte Männer und Frauen mit schweren Bündeln auf den Schultern und Familien mit Handkarren und kleinen Kindern marschierten an ihnen vorbei. Sie rollten ihre Decken zusammen, frühstückten hastig und brachen auf. Cathbar ging voraus. Sie waren schneller als die meisten anderen Reisenden. Am späteren Vormittag überholten sie eine größere Gruppe, die Ziegen und einen mit Kisten, Hockern und Decken beladenen Eselskarren mit sich führte. Die Männer und Frauen hielten wie alle anderen Reisenden den Blick gesenkt und antworteten nicht, als Cathbar sie ansprach.
Am Straßenrand tauchten immer wieder zerstörte Bildstöcke auf, die verschiedenen Gottheiten geweiht waren, doch niemand blieb vor ihnen stehen, um zu beten. Die Bildstöcke waren umgestürzt worden, die kleinen Standbilder herausgefallen und zerbrochen oder mit der Grimasse des Feuergottes übermalt. Adrian meinte einige Götterbilder von den Schreinen seiner Mutter zu Hause wiederzukennen. Nach einer Weile mied er den
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