Chroniken der Dunkelheit - 03 - Feuerkreis
Anblick der Zerstörung.
Kurz vor Mittag kamen sie an einen mannshoch aus Erde aufgeschütteten Wall quer über das offene Gelände auf beiden Seiten der Straße.
»Diesen Wall hier kenne ich«, sagte Cathbar. »König Harald hat ihn zum Schutz gegen die Sachsen erbaut. In jüngerer Zeit dient er jedoch als Bollwerk gegen die Franken.«
Der Durchgang war nicht bewacht. Das schwere Holztor stand offen.
»Seltsame Zeiten«, sagte Cathbar beklommen.
Die Sonne tauchte aus den Wolken auf und sie passierten einen Karren am Straßenrand. Der Esel fraß Gras, der Fahrer saß an ein Rad des Karrens gelehnt vollkommen bewegungslos daneben. Adrian musste an den auf der Straße ermordeten Händler Menobert denken und bekam es schon mit der Angst zu tun, da bewegte der Fuhrmann sich und nickte ihnen zu. Er ruht sich nur in der Sonne aus.
Einen Augenblick lang beneidete Adrian ihn fast, obwohl er mager und in Lumpen gekleidet war. Wie schön musste es sein, an nichts denken zu müssen außer an die nächste Mahlzeit.
Die Straße wurde jetzt von Hecken gesäumt und auf den Wiesen dahinter standen vereinzelte Bäume. Adrian hörte Eolande erschrocken Luft holen und folgte ihrem Blick zu einem weiteren Bildstock am Straßenrand, der fast von Dornengestrüpp zugewuchert war. Wunderbarerweise war er der Zerstörungswut der Feueranbeter entgangen, vielleicht dank der dornigen Wehr. Adrian betrachtete die kleine Göttin näher, die ihn aus den Dornen anlächelte – und blieb stehen.
Das ist doch Branwen! ,dachte er verblüfft. Oder eine Göttin, die genauso aussieht wie sie. Seine Mutter war nach ihr benannt worden. Die Göttin herrschte über das Wasser und beschirmte jene, die als Boten unterwegs waren. Die Statue hatte jedenfalls die gleichen langen Haare und über ihr schwebte mit ausgebreiteten Flügeln derselbe Vogel.
»Wartet einen Moment«, sagte er.
Er hatte keinen Wein für ein Trankopfer, nicht einmal Bier, aber er holte das letzte Weizenbrot seines Vaters aus seinem Ranzen und zerkrümelte es vor dem kleinen Bildstock. Heored hatte nie viel auf die Götter gegeben – er hatte lieber auf seine eigene Kraft und die Treue seiner Männer vertraut. Adrian sprach trotzdem ein kurzes stummes Gebet für die Seele seines Vaters und für die sichere Rückkehr seiner Soldaten nach Sussex. Vielleicht hörte ihm ja jemand zu.
Und beschütze meine Mutter, schloss er und berührte die Füße der Statue. Mach, dass es ihr gut geht, bis ich zu ihr zurückkehre.
»Was treibt ihr da?«
Es war die Stimme eines Mannes. Sie klang scharf und befehlsgewohnt. Adrian drehte sich hastig um. Eine Gruppe von neun oder zehn Männern näherte sich. Sie sahen kräftig aus, waren in dicke Felle gekleidet und mit Knüppeln und Äxten bewaffnet.
»Offenbar haben wir einen übersehen«, fuhr der Anführer fort und sein Blick wanderte von Adrian zu dem Bildstock. »Macht Platz, ihr Götzendiener! Wir zeigen euch, was der eine, wahre Gott kann.« Er schob sich an Adrian vorbei und holte mit der Axt aus.
»Lasst das!« Adrian packte den Griff der Axt und lenkte den Schlag ab. Die Axt fuhr durch das Gebüsch und blieb in einem dicken Ast stecken. Der Mann zerrte vergeblich daran und sah Adrian mordlustig an. Dann wandte er sich an seine Männer.
»Nehmt sie fest!«, befahl er.
Adrian zog das Schwert. Cathbar stand bereits mit der Waffe in der Hand neben ihm, Eolande hatte die Arme erhoben und murmelte einen Zauberspruch. Doch ihre Angreifer hatten sie von drei Seiten umzingelt und in ihrem Rücken befand sich das Gebüsch. Die Männer schwangen ihre langstieligen Äxte und kamen hämisch grinsend näher.
Da ertönte hinter ihnen ein panisches Wiehern. Sie sprangen zur Seite und ein Esel preschte mit aufgerissenen Augen mitten durch die Gruppe, gefolgt von einem gefährlich schwankenden Karren. Vor Adrian machte das Tier einen Sprung zur Seite und blieb dann abrupt stehen. Der Karren hinter ihm scherte zur Seite aus, einige Männer wurden zur Seite geschleudert. Auf dem Rücken des Esels saß eine Gestalt – der magere Fuhrmann, an dem sie vor einer Weile vorbeigekommen waren.
»Steigt in den Karren, schnell!«, schrie er.
Die Hufe des sich in Panik aufbäumenden Esels hielten die Männer in Schach, während Adrian und seine Gefährten in den Karren kletterten. Cathbar hob Eolande hoch und beförderte sie unsanft hinein, doch die Fay-Frau sagte nichts. Sie hielten aneinander fest und hieben auf die Banditen ein, die ihnen zu nahe kamen. Der
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