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Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Liu
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Augen, den er manchmal hatte, wenn er zu tief in einen hineinsah.

    »Mehr Zeit für dich«, sagte er. »Mehr Zeit für dich, um das Ganze zu durchschauen.«
    Ich sah weg, tief getroffen. »Ich habe sie nie zu schätzen gewusst. Ich liebte sie, aber ich war immer so wütend auf sie. Ich hasste unser Leben. Ich hasste so sehr, dass wir nie ein richtiges Zuhause hatten. Ich hasste das Auto, in dem wir gelebt haben. Ich hasste es, dass ich niemals allein sein durfte. Ich hasste all diese Gewalt, und dann … zu wissen … zu wissen, dass ich keine Wahl hatte, denn so waren die Dinge nun einmal . Ich hasste das alles. Und dann starb sie.« Ich zwang mich dazu, ihn anzusehen. »Ich hatte keine Zeit mehr, ihr zu sagen, dass ich sie geliebt habe. Ich konnte ihr nicht einmal dafür danken, dass sie meine Mutter war. Ich verstand nichts. Ich dachte es zwar, aber es war nicht so. Ich verstand nicht, was sie durchgemacht hatte, alles, vor dem sie mich beschützt hatte, bis ich selbst diejenige war …«
    »Sie weiß, dass du sie geliebt hast. Sie weiß es, Maxine.«
    Ich atmete tief und zitternd ein. »Alles, was ich hier habe … alles an dir … ist genau das, was ich immer wollte. Aber das war … diese Träume hatte ich, bevor sie starb. Danach hörte ich einfach auf, etwas zu wollen. Ich hörte auf damit. Ich tat nur das, was ich tun sollte. Und ich redete mir ein, dass es das war, was ich wollte.«
    Grant legte seine Arme um mich und zog mich vorsichtig an seine Brust. Seine Wärme sickerte durch meine Muskeln, so als würde ich im Sonnenlicht ertrinken, und er summte einen kurzen Ton, der in meine Brust stieg und dort den gleichen Takt aufnahm wie mein eigenes Herz.
    »Von alldem hast du mir nie etwas erzählt«, murmelte er.
    Ich wischte mir mit dem Handrücken die Nase ab, aber die Tränen liefen noch immer. »Ich habe es einfach verdrängt.«

    Er schwieg eine Weile. »Es gibt nichts, was ich sagen könnte, damit es dir besser geht. Nur, dass sich Dinge auch ändern. Du darfst nicht zulassen, dass dich das, was geschehen ist, dazu bringt, das, was du willst, für falsch zu halten.«
    Ich legte meine Hand über seine und streichelte seine warmen Finger. »Du hast immer auf alles eine Antwort.«
    »Das liebst du ja so an mir.«
    »Und außerdem auch ein verdammt großes Ego.«
    »Bescheiden wie ein Kuchen. Sanft wie ein Lamm.«
    Ich griff nach seinem Ohr und zog seinen Kopf an meinen. Grant umfasste meinen Hals mit seiner großen Hand.
    »Wenn du mich vergessen und verlassen hättest«, fing er an, aber ich stoppte ihn mit einem innigen Kuss. Grant legte sich auf mich. Ich liebte es, sein Gewicht zu spüren. Ich liebte die Wärme seiner Hände über meinem Gesicht, dann an meiner Hüfte, bis sie schließlich meine Taille erreichten und sein Daumen meinen Brustansatz streichelte. Meine Augen und Wangen klebten schon von all den Tränen, aber das schien ihn nicht zu stören.
    Gerade küsste er meine Brust, was ich sehr genoss, als Zee mit Augen, die vor Aufregung glühend rot waren, auf dem Vordersitz auftauchte.
    Ich erstarrte vor Schreck. Grant auch.
    »Maxine«, schnarrte Zee. »Ärger.«

16
    A uf dem Weg zur Scheune hörte ich die ganze Zeit Schreie. Ich rannte, hinter mir kam Grant, und die Jungs tobten wie Wölfe durch die Schatten, die uns umgaben.
    Ich stieß die Vordertür auf und – zuerst sah ich Jack. Er lebte und schien unverletzt.
    Dann sah ich hinter ihm die Botin.
    Sie stand in der Mitte des Raumes, groß und bleich. Mit den kantigen Zügen, die männlich und weiblich zugleich wirkten, wie nicht von dieser Welt. Ihre Wangen waren nass und gefleckt, die Augen blutunterlaufen. Sie hatte geweint. Aus ihren Augen flossen immer noch Tränen. Ungeschminkte, tiefe Trauer.
    Sie hatte den groben Saum ihres seidenen Hemdes hochgehoben. Eine hauchdünne Schnur war um ihre Taille geschlungen, deren Enden in einem kleinen Griff endeten, den sie sehr vorsichtig anfasste. Ein Schnurende löste sich und fiel zischend an ihrem Körper herunter. Die Schnur sah aus, als bestünde sie aus Kristall, und erinnerte an eine sehr kurze Peitsche, bis die Botin aus dem Handgelenk eine schnelle Bewegung machte und sich die Schnur zu einer nadeldünnen Klinge versteifte. Es geschah in einem einzigen Augenblick.
    Ich ergriff meinen Großvater und wollte ihn schon wegziehen,
aber er stemmte sich mit seinen Hacken dagegen, wobei er die Botin nicht aus den Augen ließ.
    »Mein kleines Vögelchen«, flehte er und sah dabei aus,

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