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Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Liu
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Geist öffnete sich gemächlich ein Auge. Ich klammerte mich an die Mauer und versuchte, es zu unterdrücken. Aber der Geist, die Kreatur – oder was auch immer es war – stieg in meine Kehle empor und legte sich auf meine Zunge.
    »Mancher Schmerz vergeht nicht «, sagte sie durch mich. »Und die Erinnerung an das Verlorene verblasst auch nicht .«
    Zee warf einen kurzen Blick zur Seite. »Fehler begangen. Zu viele. Wie du.«
    »Wir gaben, was verlangt wurde .«
    »Genommen habt ihr noch mehr. Gestohlen.«
    »Ich habe euch gerettet.«
    Ich fühlte mich, als sei mein Kopf kurz vorm Zerspringen.

    Zee griff meinen Arm. »Gib sie frei.«
    »Soll sie doch selbst dafür sorgen.«
    Verdammt. Ich ballte meine Rechte zur Faust und rammte sie mir gegen die Brust. Weiße, helle Glut schoss aus der Rüstung – und die Erschütterung ging bis in die Knochen und darüber hinaus.
    Ich konnte nichts mehr sehen, aber vor meinem inneren Auge befand sich die unermessliche Nacht, und ich hörte das Rascheln der Schuppen und ein Zischen, das so laut war wie der Wind und so kalt wie der unendlich leere Raum hinter den leuchtenden Sternen.
    Wir sind hinter den Sternen , flüsterte die Finsternis, aber dann zog sie sich in einen Winkel meiner Seele zurück und überließ mir wieder meine Stimme und meine Selbstkontrolle.
    Ich ging auf die Knie. Zee drängte sich an mich, auch Aaz und Rohw waren da. Dek und Mal leckten mich hinter den Ohren, aber ihr Schnurren klang angeschlagen und schwach.
    »Was«, fragte ich, »was war das denn?«
    »Geschichte«, stotterte Zee. »Schlimme Sachen.«
    »Ihr habt noch eine andere Schlacht geschlagen, vor eurem Konflikt mit den Aetar.« Ich rieb meinen Hals. »Dieses Etwas hat von euch fünfen Besitz ergriffen. Damit seid ihr nicht auf die Welt gekommen. Ihr habt es reingelassen, weil ihr glaubtet, ihr würdet es brauchen.«
    Zee sagte nichts, sondern sah die anderen Jungs nur an. Alle blickten sie aus großen Augen. Rohw begann, an seinen Klauen zu nuckeln, hörte auf und fing dann wieder damit an.
    »Was war denn so furchtbar?«, flüsterte ich. »Wer war der Feind?«
    »Frag nicht«, stotterte Zee. »Das ist jetzt vorbei. Ganz vorbei.«

    Aber ich wollte es wissen. Ich musste es wissen. Doch in ihren Gesichtern war so viel Schmerz und so viel Verlorenheit. Ich konnte mich nicht überwinden, es aus ihnen herauszuquetschen.
    »Okay«, sagte ich. »Und warum nimmt diese … Kraft nicht ganz Besitz von mir? Lässt mich die Armee anführen? Warum lässt sie mich nicht einfach tun, was zur Hölle auch immer sie will?«
    »Darum geht es doch nicht«, schnarrte Zee hilflos. »Hier geht es um Macht.«
    »Um Macht?« Ich hätte ihn am liebsten geschüttelt. »Zee, verflucht!«
    »Ich hab’s dir gesagt«, antwortete er schmerzerfüllt. »Die Wahl treffen.«
    Ich atmete tief aus. »Genau. Darum geht es.«
    »Immer«, sagte Zee. »Sogar wir entscheiden uns. Entscheiden uns zwischen falsch und richtig. Entscheiden uns, unsere Mütter zu behalten. Das ist schlau. Wir haben uns verändert. Wir entscheiden anders.«
    »Sogar mit diesem… Ding in euch?«
    Zee presste seine Klaue auf mein Herz. »Es nimmt so viel, wie du gibst.«
    Ich legte meine Hand auf seine. »Was zum Teufel kann es nur sein?«
    Rohw lutschte noch heftiger an seinen Klauen. Aaz schloss die Augen. Dek und Mal legten ihr Kinn an meine Ohren und fingen an, meine Kopfhaut mit ihren kleinen Klauen zu massieren.
    »Alt«, seufzte Zee.
    Alt. Mächtig. Und in meinem Innern.
    Ich legte die Hände vor das Gesicht. »Ich brauche jetzt etwas zu trinken.«

    Schon nach einem Augenblick pochte Aaz an meine Schulter und drückte mir eine Tasse in die Hand. Diesmal war es kein heißer Kakao, sondern heißer Apfelwein. Ich verbrannte mir fast den Mund, schlürfte ihn aber aus und versuchte, nichts zu verschütten.
    Vergiss nicht, wer du bist , sagte ich mir. Du bist Maxine .
    Durch das Treppenhaus hallten Schritte, vom anderen Ende des Daches herüber. Das schwere Rumpeln wurde vom Klicken eines Gehstocks begleitet.
    Grant stockte, als er mich sah … aber nur mit seinem Blick. Und vertiefte ihn mit jenem rauen Glitzern, das ich so gut kannte: intensiv, nachdenklich und gar nicht sanft. Ich erinnerte mich daran, wie es war, diesen Ausdruck zum ersten Mal zu betrachten, so wie ein Fremder ihn sehen würde. Eine surreale Empfindung. Grant konnte einen ziemlich verunsichern, und ich neigte dazu, das immer wieder zu vergessen.
    »Hey!«, polterte er. »Was hat

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