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Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Liu
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Kleidung und war schon im Begriff, ins Badezimmer zu gehen, als ich es mir doch noch einmal anders überlegte. Eigentlich wollte ich wirklich nicht wissen, was da drinnen vor sich ging.
    Grant linste ins Badezimmer. »Besuchszeit?«
    Ich hörte einen dumpfen Aufprall, auf den ein Fluch folgte.

    Grant verzog eine Braue und humpelte zu mir. »Ob ich das wirklich wissen will?«
    »Ich bin nicht so mutig. Und du?«
    »Dafür habe ich dich.«
    »Ich habe Angst«, antwortete ich, während ich ein nasses, saugendes Geräusch aus dem Badezimmer hörte.
    Grant stöhnte leise. »Das kann nichts Gutes bedeuten.«
    Ich ging zur Tür, und Zee huschte mir voran. Einen kurzen Augenblick lang sah ich den Rücken eines Teenagers, der auf dem Rand der Badewanne saß, dann schaute ich etwas genauer hin und erkannte, wie der Junge seine Finger in den Oberarm der Leiche grub und versuchte, einen Knochen aus dem Fleisch zu ziehen. Zum Glück lag ein Laken über dem Rest des Körpers.
    Der stank. Gelinde gesagt.
    Ich musste ein Geräusch gemacht haben. Jack schaute kurz hoch, hielt dann inne und sagte: »Es ist nicht das, wonach es aussieht.«
    »Es sieht aus, als würdest du einen alten Mann zerfleischen.«
    »Genau genommen bin ich selbst dieser alte Mann. Also zerfleische ich mich höchstens selber«, feixte Jack. »Ich könnte aber ein bisschen Hilfe gebrauchen.«
    »In vielerlei Hinsicht.« Ich ging ins Badezimmer. »O Gott.«
    »Sag’s nicht.«
    »Ist das…?«
    »Ja. Das ist genau das, was ich brauche.«
    Ich biss die Zähne zusammen und musterte das Tattoo auf dem Knochen, das im wahrsten Sinne des Wortes im Arm des alten Mannes eingebettet war. Ich hatte es früher schon einmal gesehen. Es war das Symbol des Kultes von Vater Lawrence, es war das Symbol, mit dem Jack meine Blutlinie bezeichnete, es
war das Symbol eines bevorstehenden Weltuntergangs und sah ganz genauso aus wie die Narbe unter meinem Ohr.
    »Warum?«, stammelte ich und hatte Angst, ich müsste mich gleich übergeben.
    »Weil ich Sachen vergesse«, erwiderte er rätselhaft.
    Grant kam ins Badezimmer und sagte nichts. Ich auch nicht. Ich drehte mich um, drängte mich zwischen ihm und Zee hindurch und ging ins Schlafzimmer. Dort hielt ich mich nicht auf, sondern trat ins Wohnzimmer, ließ Rex und Mary links liegen und steuerte auf die Treppe zu, die zum Dachgarten führte.
    Fast hatte es aufgehört zu regnen, aber noch nicht ganz. Ich ging durch Pfützen an den riesigen Blumenkübeln vorbei, die mit Rosen gefüllt waren, und blieb am Rand des Daches stehen. Das Zentrum von Seattle glitzerte unter tiefliegenden Wolken. Eine Betonburg grauer Herzen. Ich sah, wie blass sie waren, ich sah auch, wie sich überall die Schatten sammelten. Wie der Regen oder … oder wie die Geister in meinem Atem, jedes Mal, wenn ich ausatmete.
    Es wehte ein kräftiger Wind. Mein Kopf war kalt. Ich hatte schon wieder vergessen, dass ich kahl war. Aber fast im selben Augenblick, in dem ich das dachte, flitzten Dek und Mal über meine Kopfhaut, griffen nach meinen Ohren und Augenbrauen und schirmten die kalte Luft ab. Mein kleiner Dämonenhelm.
    Zee sprang auf die hüfthohe Mauer, die den Rand des Daches umgab. Seine Augen leuchteten, und die Stacheln seines Haars hoben und senkten sich sanft mit jedem Atemzug. Ich berührte seine Hand, dann küsste ich seine Stirn.
    »Würdest du es wissen, wenn einer dieser Mahatis durch den Schleier gekommen wäre?«, fragte ich ihn.
    »Noch sind keine geflogen«, antwortete er nach einer Weile.
»Aber ich fühle, wie sie es versuchen. Der Eiter droht überzukochen. Ha’an wird sie nicht lange zurückhalten.«
    »Kennst du ihn? Erinnerst du dich?«
    »Große Ehre.« Zee schlug sich auf die Brust. »Großer Kämpfer!«
    Dek und Mal zirpten, als wollten sie ihm beipflichten. Ich tätschelte ihre Köpfe. »Aber warum solltet ihr kämpfen müssen? Wer hätte es denn mit euch aufnehmen können? Vielleicht hätten die Avatare Kreaturen erschaffen können, die einen Krieg anzetteln könnten. Aber …«
    »Das Universum ist schon groß«, unterbrach mich Zee. »Das Labyrinth ist aber noch größer. Armeen werden nicht mit Schwertern geboren. Sie müssen sich bilden. Für höhere Zwecke. Gemeinere Feinde.«
    Ich sah ihm tief in die Augen. »Womit kann man einem Schlächterkönig denn Angst einjagen?«
    Zee erstarrte. Dek und Mal schrumpften in meiner Kopfhaut und begannen Sekunden später zu zittern.
    In mir, ganz tief drinnen, wirbelte die Finsternis. In meinem

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