Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel
Seiten von ähnlichen Bauwerken flankiert wurde. Eine breite Treppe führte zu einer wuchtigen, schwarz lackierten Doppeltür, deren schwere Flügel leicht geöffnet waren und einen schmalen Strahl schimmerndes Kerzenlicht auf die weißen Treppenstufen warfen.
Tessa drehte sich zu Will um. Hinter ihm sah sie Thomas, der auf dem Kutschbock saß, den Hut tief in die Stirn gezogen. Auch seine Pistole mit dem Silberknauf steckte so tief in seiner Westentasche, dass sie der Sicht vollkommen entzogen war.
Irgendwo tief in ihrem Kopf hörte Tessa Camille lachen und wusste sofort - ohne genau sagen zu können, woher -, dass die Vampirdame sich über ihre stille Bewunderung für Will amüsierte. Da bist du ja endlich, dachte Tessa erleichtert, trotz ihrer Verärgerung über Lady Belcourts spöttische Belustigung. Sie hatte sich schon Sorgen gemacht, dass sie Camilles innere Stimme überhaupt nicht mehr zu fassen bekommen würde.
Langsam wandte sie sich von Will ab und hob das Kinn. Diese arrogante Haltung entsprach eigentlich nicht ihrem Naturell - dafür dem von Lady Belcourt umso mehr. »Du wirst mich nicht mehr mit ›Tessa‹ anreden, sondern so wie es sich für einen Bediensteten geziemt«, beschied sie Will, mit leicht verächtlich verzogener Lippe. »Und jetzt komm.« Herrisch drehte sie den Kopf in Richtung des Hauses und stieg die Stufen hinauf, ohne sich zu vergewissern, ob er ihr auch folgte.
Ein elegant livrierter Lakai erwartete sie am oberen Ende der Treppe. »Eure Ladyschaft«, murmelte er, und als er sich vor ihr verbeugte, konnte Tessa die beiden Einstiche an seinem Hals erkennen, direkt oberhalb des Kragens. Sie drehte den Kopf, um sicherzugehen, dass Will sich dicht hinter ihr befand, und wollte ihn gerade dem Domestiken vorstellen, als Camilles innere Stimme ihr zuflüsterte: »Wir machen unsere menschlichen Schoßhündchen nicht miteinander bekannt. Sie sind unser namenloser Besitz - es sei denn, wir entschließen uns, ihnen einen Namen zu geben.«
Pfui, dachte Tessa entrüstet und nahm in ihrer Empörung nur am Rande wahr, wie der Lakai sie durch einen langen Gang zu einem großen Saal mit weißem Marmorboden geleitete. Dort verbeugte er sich erneut und zog sich zurück, während Will an ihre Seite trat und genau wie Tessa einen Moment lang sprachlos auf die Szenerie vor ihnen starrte.
Der riesige Saal wurde nur von Kerzenschein erhellt: Über den gesamten Raum waren Dutzende goldener Leuchter verteilt, in denen dicke weiße Wachskerzen brannten. Und aus den Wänden ragten elegant gemeißelte Marmorhände mit jeweils einer scharlachroten Kerze, deren rotes Wachs wie Rosenblütenblätter über den weißen Marmor tropfte.
Zwischen den Kerzenleuchtern drängten sich Hunderte von Vampiren, mit Gesichtern so weiß wie Wolken und eleganten, geschmeidigen, fast fließenden Bewegungen. Tessa konnte ihre Ähnlichkeit mit Camille erkennen, die Gesichtszüge, die sie miteinander teilten - die makellose Haut, die dunklen, wie Juwelen schimmernden Augen, die bleichen Wangen mit einem Hauch von Rouge. Manche Vampire wirkten menschlicher als andere und viele waren in der Mode vergangener Epochen gekleidet - die Männer mit Kniehosen und Halstüchern, die Frauen mit Röcken so üppig und aufgebauscht wie Marie Antoinettes Roben oder mit schweren Schleppen, Spitzenmanschetten und zarten Rüschen.
Fieberhaft schweifte Tessas Blick durch den Saal, auf der Suche nach einer vertrauten Gestalt mit blonden Haaren, doch Nathaniel war nirgends zu sehen. Stattdessen musste sie sich Mühe geben, eine hochgewachsene, hagere Frau nicht allzu auffällig anzustarren, die im Stil des vorherigen Jahrhunderts gekleidet war, mit hoher, stark gepuderter Perücke und noch weißerem, blutleerem Gesicht. »Ihr Name lautet Lady Delilah, wisperte Camilles Stimme in Tessas Kopf. Lady Delilah hielt eine kleine Gestalt an der Hand und Tessa zuckte innerlich zurück - ein Kind, hier an diesem Ort? Doch als die Gestalt sich umdrehte, erkannte Tessa, dass es sich dabei ebenfalls um einen Vampir handelte, mit tief liegenden dunklen Augen, die wie schwarze Löcher in dem runden, kindlichen Gesicht brannten. Als er Tessa ein sardonisches Lächeln schenkte, kamen seine weißen Fangzähne zum Vorschein.
»Wir müssen nach Magnus Bane Ausschau halten«, raunte Will Tessa leise zu. »Er soll uns eigentlich sicher durch dieses Durcheinander geleiten. Wenn ich ihn sehe, werde ich ihn dir zeigen.«
Tessa wollte darauf gerade erwidern, dass Camille
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