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Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel

Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel

Titel: Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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wirklich klar sichtbar und doch zu übersehen? Tessas Neugier gewann die Oberhand und sie fragte Jem danach.
    »Warte, ich möchte dir etwas zeigen«, erwiderte er. »Bleib genau hier stehen.« Behutsam nahm er Tessa am Ellbogen und drehte sie ein wenig, sodass sie in Richtung der gegenüberliegenden Straßenseite schaute. Dann deutete er hinüber. »Was siehst du dort?«, fragte er.
    Tessa spähte über die Straße; sie befanden sich in der Nähe der Kreuzung von Fleet Street und Chancery Lane und sie konnte nichts Ungewöhnliches erkennen. »Die Front eines Bankgebäudes. Was soll da sonst noch zu sehen sein?«, erwiderte sie.
    »So, und nun lass deine Gedanken ein wenig schweifen«, forderte Jem sie mit sanfter Stimme auf. »Sieh einfach ein Stückchen weiter, so als wolltest du einer Katze nicht direkt in die Augen blicken, um sie nicht zu erschrecken. Dann schau aus den Augenwinkeln zur Bank zurück. Und jetzt sieh genau hin, direkt und sehr schnell!«
    Tessa tat, wie ihr geheißen - und starrte ungläubig über die Straße: Die Bank war verschwunden und an ihrer Stelle stand ein Fachwerkhaus, eine Schenke mit großen bleiverglasten Fenstern. Durch die rautenförmigen Scheiben und die weit geöffnete Eingangstür fiel rötliches Licht auf den Gehweg. Hinter den Fenstern bewegten sich dunkle Schatten durch den verqualmten Schankraum - allerdings nicht die vertrauten Gestalten von Frauen und Männern, sondern Schatten, die zu groß und dünn, zu seltsam geformt oder zu vielarmig für Menschen waren. Immer wieder übertönte lautes Gelächter eine hohe, sehnsüchtige, schwermütige Musik, die beklemmend und betörend zugleich klang. Über der Eingangstür hing ein Schild, auf dem ein Mann zu sehen war, der einem gehörnten Dämon mit einer Zange in die Nase kniff. Und darunter stand »The Devil Tavern«.
    Das ist das Gasthaus, in dem Will vor ein paar Tagen eingekehrt ist, überlegte Tessa und schaute zu Jem, der seinen Blick fest auf die Schenke geheftet hatte. Sein Atem ging ruhig und leicht und in seinen silberhellen Augen spiegelte sich das rote Licht wie ein Sonnenuntergang über dem Meer. »Ist das dein Lieblingsort?«, fragte Tessa leise.
    Sofort verschwand der angespannte Ausdruck aus seinen Augen. »Grundgütiger, nein«, protestierte er lachend. »Ich wollte dir die Devil Tavern nur kurz zeigen.«
    In dem Moment trat jemand aus der Schenke heraus - ein Mann in einem langen schwarzen Mantel mit einem eleganten Hut aus Moire-Seide. Als er einen Blick auf die Straße warf, sah Tessa, dass seine Haut in einem dunklen Tintenblau schimmerte und seine Haare und sein Bart weiß wie Eis leuchteten. Während er sich nach Westen wandte, in Richtung Strand Street, fragte Tessa sich, ob er wohl neugierige Blicke auf sich ziehen würde. Doch seine Anwesenheit wurde von anderen Passanten genauso wenig wahrgenommen wie die eines Geistes. Genau genommen schienen die späten Spaziergänger auch die Devil Tavern kaum zu bemerken - nicht einmal, als eine Gruppe dürrer und aufgeregt schwatzender Gestalten aus der Tür trat und einen müde wirkenden Mann mit einem leeren Karren beinahe umgestoßen hätte. Der Mann hielt einen Moment inne, schaute sich verwirrt um, zuckte die Achseln und ging dann wieder seines Weges.
    »Früher war das einmal ein ganz normaler Pub«, erzählte Jem. »Aber als immer mehr Schattenweltler die Schenke frequentierten, gab dies Anlass zur Sorge, dass daraus zu viele Verflechtungen zwischen der Verborgenen Welt und der Welt der Irdischen entstehen könnten. Also hat man den Irdischen den Zugang mithilfe eines Zauberglanzes versperrt, der sie im Glauben ließ, die Schenke wäre abgerissen und an ihrer Stelle ein Bankgebäude errichtet worden. Heute wird die Devil Tavern fast nur noch von Schattenweltlern besucht.« Jem schaute zum Mond hoch und ein Schatten huschte über sein Gesicht. »Es ist spät geworden. Wir sollten uns besser beeilen.«
    Tessa schaute sich noch einmal nach der Schenke um und folgte dann Jem, der weiterhin freundlich plauderte und ihr verschiedene Sehenswürdigkeiten zeigte - die Temple Church, wo einst die Tempelritter Pilger auf ihrem Weg ins Heilige Land beherbergt hatten und wo sich nun die königlichen Gerichtshöfe befanden. »Sie sind mit den Nephilim befreundet gewesen - die Tempelritter, meine ich. Sicher, es waren Irdische, aber mit einem eigenen, umfangreichen Wissen über die Verborgene Welt«, erläuterte Jem. Als sie das Straßengewirr hinter sich ließen und die

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