Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel
nahmen sie noch mehrmals an den Zusammenkünften des Pandemonium Club teil. Offenbar hat Mutter diese Treffen gehasst; trotzdem besuchten sie den Club noch eine ganze Weile, bis sich die Lage schlagartig änderte. Allerdings kann ich nicht sagen, was die Ursache für diese Veränderung war - die wenigen Seiten in Mutters Tagebuch ließen keine genauen Schlüsse zu. Ich konnte lediglich herauslesen, dass ihre Abreise aus London bei Nacht und Nebel erfolgte, dass sie niemandem davon erzählten und auch keine Nachsendeadresse hinterließen. Für die Nachbarn mussten sie wie vom Erdboden verschluckt gewesen sein. Doch der Grund für all diese Heimlichtuerei war in Mutters Notizen nicht zu finden ...« Ein trockener Hustenanfall unterbrach Nathaniels Ausführungen.
Sofort griff Jessamine nach der Teekanne, die Sophie auf einem Beistelltisch platziert hatte, und drückte Nate eine Tasse Tee in die Hand. Dabei bedachte sie Tessa mit einem bedeutungsvollen, überlegenen Blick, als wollte sie unterstreichen, dass Tessa eigentlich als Erste auf diesen Gedanken hätte kommen müssen.
Nachdem Nate seinen Husten mit einem Schluck Tee bekämpft hatte, fuhr er fort: »Der Fund von Mutters Tagebuchnotizen kam mir vor, als wäre ich auf eine Goldmine gestoßen. Von Mortmain hatte ich bereits gehört. Und ich wusste, dass er zwar sehr exzentrisch, aber eben auch steinreich war. Also schrieb ich ihm und erklärte ihm in meinem Brief, dass ich Nathaniel Gray sei, der Sohn von Richard und Elizabeth Gray. Und dass beide Eltern tot seien und ich im Nachlass meiner Mutter mehrere Dokumente gefunden hätte, die seine okkulten Aktivitäten beweisen würden. Zusätzlich gab ich ihm zu verstehen, dass ich es kaum erwarten könne, ihn kennenzulernen und mit ihm über eine mögliche Anstellung zu sprechen. Und falls er sich für eine Begegnung nicht gleichermaßen erwärmen wolle, würden mir sofort mehrere Zeitungen einfallen, die sich für das Tagebuch meiner Mutter bestimmt brennend interessieren würden.«
»Das war geschäftstüchtig«, bemerkte Will beinahe beeindruckt.
Nate lächelte, doch Tessa warf ihm einen wütenden Blick zu: »Schau nicht so selbstgefällig. Wenn Will ›geschäftstüchtig‹ sagt, meint er ›moralisch verwerflich‹.«
»Nein, ich meine ›geschäftstüchtig«‹, widersprach Will. »Wenn ich ›moralisch verwerflich‹ gemeint hätte, hätte ich gesagt: ›Also, das ist etwas, das ich getan hätte.‹«
»Das reicht jetzt, Will«, unterbrach Charlotte das Geplänkel. »Lass Mr Gray bitte seine Geschichte zu Ende erzählen.«
»Als ich diesen Brief an Mortmain schickte, nahm ich an, er würde mir vermutlich Geld senden, um mein Schweigen zu erkaufen«, fuhr Nate fort. »Stattdessen erhielt ich kurze Zeit später einen Erste-Klasse-Fahrschein für die Überfahrt nach London und ein offizielles Angebot für eine Stelle, die ich bei meiner Ankunft sofort antreten konnte. Nach kurzem Überlegen kam ich zu dem Schluss, dass dies eine gute Sache sei, und nahm mir zum ersten Mal in meinem Leben vor, das Ganze ausnahmsweise nicht zu vermasseln.
Als ich in London eintraf, fuhr ich sofort zu Mortmains Haus, wo man mich in sein Arbeitszimmer geleitete. Er begrüßte mich aufs Herzlichste und sagte, er freue sich außerordentlich, mich endlich kennenzulernen, und wie sehr ich meiner lieben verstorbenen Mutter ähneln würde. Dann wurde er ernst: Er bat mich, Platz zu nehmen, und erzählte mir, er habe meine Eltern immer sehr gemocht. Und es hätte ihn wirklich geschmerzt, als sie England verließen. Von ihrem Tod habe er erst aus meinem Brief erfahren. Und selbst wenn ich mit meinem Wissen doch noch an die Öffentlichkeit gehen wolle, würde er - schon allein um der alten Freundschaft willen - mir frohen Herzens eine Stelle anbieten und auch sonst alles in seiner Macht Stehende tun, um mir zu helfen.
Daraufhin erklärte ich Mortmain, dass sein Geheimnis bei mir sicher sei - sofern er mich zu einer der Zusammenkünfte des Pandemonium Club mitnehmen würde. Schließlich sei er es mir schuldig, mir genau das zu zeigen, was er auch meinen Eltern gezeigt habe. In Wahrheit hatte die Erwähnung des Spielsalons in Mutters Tagebuch mein Interesse geweckt. Vor meinem inneren Auge sah ich eine Gruppe von Männern, die dumm genug waren, an Magie und Teufelswerk zu glauben. Sicherlich konnte es nicht allzu schwer sein, diesen Narren ein wenig Geld abzuknöpfen.« Nate schloss einen Moment die Augen und fuhr dann fort:
»Mortmain
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