Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
sich ziemlich sicher, dass sich seine Miene nicht verändert hatte, aber er konnte die Anspannung in seiner eigenen Stimme hören, als er beiläufig fragte: »Tessa?«
»Die Belegung mit dem Fluch liegt nun fünf Jahre zurück«, sagte Magnus. »Dennoch ist es dir irgendwie gelungen, in all der Zeit niemandem auch nur ein Wort davon zu erzählen. Welcher Grad an Verzweiflung hat dich zu mir geführt, zu mitternächtlicher Stunde, inmitten eines schweren Sturms? Was hat sich im Institut verändert? Da fällt mir beim besten Willen nur eine einzige Sache ein ... eine ziemlich hübsche, mit großen grauen Augen ...«
Will sprang abrupt auf. »Das ist sicher nicht die einzige Veränderung«, widersprach er, mit bemüht ruhiger Stimme. »Jem liegt im Sterben.«
Doch Magnus musterte ihn nur mit einem kühlen, unverwandten Blick. »Er liegt seit Jahren im Sterben«, stellte er fest. »Kein Fluch, der auf dir lastet, könnte seinen Zustand verschlimmern oder verbessern.«
Will merkte, dass seine Hände zitterten, und er ballte sie zu Fäusten. »Du verstehst das nicht ...«
»Ich weiß, dass ihr beide Parabatai seid«, sagte Magnus. »Und ich weiß auch, dass sein Tod ein schwerer Verlust für dich sein wird. Aber was ich nicht weiß ...«
»Du weißt alles, was du wissen musst.« Will spürte, wie sich eine Eiseskälte in seinem Körper ausbreitete, obwohl der Raum geheizt war und er noch immer seinen Mantel trug. »Ich kann dir mehr bezahlen - wenn du dann endlich aufhörst, mir Fragen zu stellen.«
Magnus legte die Füße auf den Diwan. »Nichts wird mich dazu bringen, mit dem Fragen aufzuhören«, erklärte er. »Aber ich werde mich bemühen, deine Zurückhaltung zu respektieren.«
Erleichtert entspannte Will seine geballten Hände. »Dann wirst du mir also weiterhin helfen?«
»Ja, ich werde dir auch in Zukunft helfen.« Magnus verschränkte die Hände hinter dem Kopf, lehnte sich zurück und betrachtete Will unter halb gesenkten Lidern. »Obwohl ich dir besser helfen könnte, wenn du mir die Wahrheit sagen würdest, werde ich trotzdem alles in meiner Macht Stehende tun. Auf seltsame Weise interessierst du mich, Will Herondale.«
Will zuckte die Achseln. »Dieser Grund ist so gut wie jeder andere. Wann gedenkst du, den nächsten Versuch zu unternehmen?«
Magnus gähnte. »Vermutlich am Wochenende. Ich werde dir Samstag eine Nachricht zukommen lassen, falls es irgendwelche ... Entwicklungen in dieser Hinsicht gibt.«
Entwicklungen. Fluch. Wahrheit. Jem. Tod. Tessa. Tessa, Tessa, Tessa. Ihr Name hallte durch Wills Gedanken wie das Läuten einer Glocke und er fragte sich, ob wohl irgendein anderer Name auf Erden einen ebenso unentrinnbaren Widerhall besaß. Natürlich hatte man sie nicht auf irgendeinen grässlichen Namen getauft, wie etwa Mildred. Will konnte sich nicht vorstellen, nachts wach zu liegen und an die Decke zu starren, während unsichtbare Stimmen ihm »Mildred« ins Ohr flüsterten. Aber Tessa ... »Danke, Magnus«, sagte er abrupt. Plötzlich war ihm nicht mehr eiskalt, sondern viel zu warm. Der Raum erschien ihm nun stickig, die Luft noch immer geschwängert vom schweren Duft der abgebrannten Wachskerzen. »Dann erwarte ich also deine Nachricht.«
»Ja, mach das«, bestätigte Magnus und schloss die Augen. Will vermochte nicht zu sagen, ob der Hexenmeister tatsächlich schlief oder schlichtweg darauf wartete, dass Will sich verabschiedete. Aber wie auch immer: Sein Verhalten ließ eindeutig darauf schließen, dass Wills Anwesenheit nicht länger erwünscht war. Und Will kam dieser Aufforderung nur zu gern nach.
Sophie war gerade auf dem Weg zu Miss Jessamines Zimmer, um dort den Rost des offenen Kamins zu reinigen und die kalte Asche zu entfernen, als sie Stimmen hörte, die ihr aus dem Flur entgegenschallten. Bei ihrer vorherigen Stellung hatte man ihr beigebracht, sich »unsichtbar« zu machen - sich abzuwenden und das Gesicht zur Wand zu drehen, sobald ihre Herrschaften sie passierten, und sich nach Kräften zu bemühen, wie ein Möbelstück zu erscheinen, wie etwas Unbelebtes, das ihre Dienstherren ignorieren konnten. Als Sophie ihre Stelle im Institut angetreten hatte, war sie anfangs bestürzt gewesen, dass man die Dinge hier etwas anders handhabte. Zunächst einmal hatte es sie überrascht, dass es für solch einen großen Haushalt nur so wenig Personal gab. Sophie hatte eine Weile benötigt, bis sie begriff, dass die Schattenjäger viele Tätigkeiten selbst ausführten, die eine
Weitere Kostenlose Bücher