Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
Sorgen: Es ist nicht deine Schuld.« Will warf sich auf einen der Diwane, die Magnus an die Wand geschoben hatte. Ihm war heiß und kalt zugleich und seine Nerven bebten vor Enttäuschung, die er ziemlich erfolglos zu unterdrücken versuchte. Rastlos zog er seine Handschuhe aus und steckte sie in die Taschen seines noch immer zugeknöpften Mantels. »Du hast es wenigstens versucht. Aber Thammuz hatte recht: Viele Informationen konnte ich dir nicht zur Verfügung stellen.«
»Ich nehme an, dass du mir alles erzählt hast, woran du dich erinnerst«, sagte Magnus leise. »Du hast eine Pyxis geöffnet und einen Dämon auf freien Fuß gesetzt. Und dieser hat dich mit einem Fluch belegt. Und nun möchtest du, dass ich jenen Dämon für dich ausfindig mache und in Erfahrung bringe, ob er diesen Fluch wieder von dir nehmen will. Aber ist das wirklich alles, was du mir erzählen kannst?«
»Das ist wirklich alles«, erwiderte Will. »Es liegt wohl kaum in meinem Interesse, irgendwelche Informationen unnötigerweise zurückzuhalten, zumal ich weiß, was ich von dir verlange: Das Auffinden einer Nadel in einem ... du meine Güte, nicht einmal in einem Heuhaufen, sondern in einem Turm, der bis zu den Zinnen mit anderen Nadeln gefüllt ist.«
»Wer seine Hand in einen Turm voller Nadeln taucht, läuft Gefahr, sich daran schwer zu verletzen«, gab Magnus zu bedenken. »Bist du dir sicher, dass du diesen Weg wirklich beschreiten willst?«
»Ich weiß nur eines: Die Alternative ist schlimmer«, sagte Will und starrte auf die schwarz verfärbte Stelle auf dem Boden, wo der Dämon gekauert hatte. Er fühlte sich erschöpft; die Wirkung der Kraft-Rune, welche er am Morgen vor seinem Aufbruch zur Ratsversammlung aufgetragen hatte, war gegen Mittag bereits schwächer geworden und mittlerweile plagten ihn bohrende Kopfschmerzen. »Ich habe fünf lange Jahre damit leben müssen. Und die Vorstellung, auch nur ein weiteres Jahr in diesem Zustand zu verbringen, flößt mir mehr Angst ein als der Gedanke an den Tod.«
»Du bist ein Schattenjäger - du fürchtest den Tod nicht.«
»Natürlich fürchte ich mich davor«, widersprach Will. »Ein jeder fürchtet den Tod. Wir mögen zwar von Engeln abstammen, aber wir wissen genauso wenig wie du, was uns nach dem Tod erwartet.«
Magnus trat näher und ließ sich am anderen Ende des Diwans nieder. Seine goldgrünen Augen leuchteten wie die einer Katze in der Dämmerung. »Du weißt doch gar nicht, ob nach dem Tod das ewige Nichts kommt.«
»Und du weißt nicht, ob das ewige Nichts nicht doch kommt, oder? Jem glaubt, dass wir alle wiedergeboren werden, dass das Leben ein endloser Kreislauf ist. Wir sterben und wir kehren zurück - und zwar als das, was wir verdient haben, basierend auf unseren Taten in der hiesigen Welt.« Will schaute auf seine abgeknabberten Fingernägel. »Ich werde vermutlich als Schnecke wiedergeboren werden, die jemand mit Salz bestreut.«
»Der Kreislauf der Seelenwanderung«, sagte Magnus und lächelte dann. »Nun, betrachte es doch einmal folgendermaßen: Du musst in deinem letzten Leben irgendetwas richtig gemacht haben, um als derjenige wiedergeboren zu werden, der du heute bist ... ein Nephilim.«
»Oh, ja«, bestätigte Will mit matter Stimme, »ich hab wirklich Glück gehabt.« Erschöpft ließ er den Kopf gegen die Rückenlehne des Diwans sinken. »Ich nehme an, du brauchst weitere ... Zutaten? Die alte Molly wird meines Anblicks auf ihrem Friedhof sicherlich bald überdrüssig werden.«
»Ich habe auch noch andere Beziehungen«, beruhigte Magnus den jungen Schattenjäger, mit dem er offensichtlich Mitleid empfand. »Außerdem muss ich zuerst noch weitere Nachforschungen anstellen. Wenn du mir die Art des Fluchs verraten könntest ...«
»Nein.« Will setzte sich ruckartig auf. »Das kann ich nicht. Ich habe es dir doch schon erklärt: Dadurch, dass ich dir von seiner Existenz berichtet habe, bin ich bereits ein enormes Risiko eingegangen. Wenn ich dir auch nur einen Hauch mehr erzählen würde ...«
»Was wäre dann? Lass mich raten. Du weißt es nicht, aber du bist dir sicher, dass dann etwas Schlimmes passieren würde.«
»Gib mir bitte nicht das Gefühl, dass es ein Fehler war, mich an dich zu wenden ...«
»Diese ganze Geschichte hängt irgendwie mit Tessa zusammen, stimmt’s?«
Im Laufe der vorangegangenen fünf Jahre hatte Will sich darin geübt, keinerlei Regung zu zeigen - weder Überraschung noch Zuneigung, Hoffnung oder Freude. Und er war
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