Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
Institut jederzeit aufgeben, ehe ich ...«
Henry schaute sie mit großen Augen an und seine kupferroten Haare standen in alle Richtungen ab, als hätte er sie wie verrückt gerauft. »Ehe du was ?«
»Ehe ich dich aufgeben würde«, sagte Charlotte. »Weißt du das denn nicht?«
Und dann sagte sie nichts mehr, denn Henry hatte sie an sich gerissen und küsste sie. Küsste sie auf eine Weise, dass sie sich nicht länger unansehnlich fühlte oder befangen wegen ihrer unordentlichen Haare oder der Tinte an ihrem Ärmel, sondern nur noch an Henry denken konnte - an den Mann, den sie schon immer geliebt hatte. Tränen schossen ihr in die Augen, liefen ihr über die Wangen, und als Henry sich sanft von ihr löste, strich er ihr verwundert über das feuchte Gesicht.
»Wirklich?«, fragte er. »Du liebst mich also auch, Lottie?«
»Natürlich liebe ich dich. Ich habe dich nicht geheiratet, damit ich jemanden habe, mit dem ich das Institut leiten kann, Henry. Ich habe dich geheiratet, weil ... weil ich wusste, dass die Schwierigkeiten der Institutsleitung mir dann nichts mehr ausmachen würden oder etwa, dass der Rat mich ungerecht behandeln würde. Solange ich nur wusste, dass ich dein Gesicht als letztes sehe, ehe ich mich abends schlafen lege ...« Charlotte knuffte ihren Mann leicht gegen die Schulter. »Wir sind jetzt schon so viele Jahre verheiratet, Henry. Was hast du eigentlich gedacht, was ich für dich empfinde?«
Henry zuckte die Achseln und küsste sie auf den Scheitel. »Ich dachte, du wärst mir zugetan«, erklärte er mit rauer Stimme. »Und dass du mich im Laufe der Zeit vielleicht lieben lernen würdest.«
»Genau dasselbe hab ich von dir gedacht«, stellte Charlotte verwundert fest. »Ist es wirklich möglich, dass wir beide so dumm gewesen sind?«
»Nun ja, bei mir überrascht mich das ja nicht«, meinte Henry. »Aber, ehrlich, Charlotte, du hättest es eigentlich besser wissen müssen.«
Charlotte lachte erstickt. »Henry!« Dann drückte sie seinen Arm und flüsterte: »Da ist noch etwas, das ich dir erzählen muss, etwas sehr Wichtiges ...«
In dem Moment flog die Tür des Salons auf und Will stand im Türrahmen. Henry und Charlotte lösten sich hastig voneinander und starrten ihn an. Er wirkte erschöpft - bleich, mit dunklen Ringen unter den Augen -, aber sein Gesicht strahlte eine Klarheit aus, ein Leuchten, das Charlotte noch nie zuvor an ihm gesehen hatte. Sie wappnete sich gegen eine seiner sarkastischen Bemerkungen, doch stattdessen lächelte er freundlich. »Henry, Charlotte«, rief er. »Ihr habt nicht zufälligerweise Tessa gesehen?«
»Vermutlich ist sie in ihrem Zimmer«, erklärte Charlotte verwundert. »Will, ist alles in Ordnung? Solltest du nicht im Bett liegen und dich ausruhen? Nach den schweren Verletzungen, die du erlitten hast ...«
Doch Will winkte ihre Bedenken fort. »Deine Heilrunen haben ihre hervorragende Wirkung entfaltet. Ich brauche keine Bettruhe. Ich will nur zu Tessa und sie fragen ...« Er verstummte, als sein Blick auf Charlottes Brief fiel. Mit zwei Schritten war er am Schreibtisch, griff nach dem Schreiben und las es mit demselben bestürzten Ausdruck, der sich auch auf Henrys Gesicht abgezeichnet hatte. »Charlotte ... das kannst du nicht tun. Du darfst das Institut nicht aufgeben!«
»Der Rat wird für dich ein anderes Zuhause finden«, sagte Charlotte. »Oder vielleicht kannst du bis zu deinem achtzehnten Geburtstag hierbleiben, obwohl die Lightwoods ...«
»Ohne dich und Henry würde ich hier gar nicht leben wollen. Was glaubst du denn, warum ich überhaupt hier bin? Wegen der eleganten Atmosphäre?« Will schüttelte den Bogen, bis das Papier knisterte. »Ich vermisse ja sogar Jessamine ... nun ja, wenigstens ein bisschen. Und die Lightwoods werden unsere Dienstboten entlassen und durch ihre eigenen ersetzen. Charlotte, das darfst du nicht zulassen. Dies ist unser Zuhause. Jems und Sophies Zuhause.«
Mit großen Augen starrte Charlotte ihn an. »Will, bist du sicher, dass du kein Fieber hast?«
»Charlotte.« Will knallte den Brief auf den Schreibtisch. »Ich verbiete dir, deine Stelle als Leiterin des Instituts zu kündigen. Hast du mich verstanden? In den vergangenen Jahren warst du immer für mich da, hast alles für mich getan, als wäre ich dein eigenes Fleisch und Blut. Und ich habe dir nie dafür gedankt. Dasselbe gilt auch für dich, Henry. Aber ich bin euch beiden sehr dankbar und aus diesem Grund werde ich nicht zulassen, dass du diesen
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