Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
die zertrümmerten Teile des zerquetschten Metallkäfers auf dem Schoß hielt, während die Kutsche zum Institut zurückfuhr. »Ohne Jessamine, Nate und Benedict müssen Mortmain die menschlichen Spitzel ausgegangen sein. Deshalb hat er diese Kreaturen geschickt, damit sie ihm berichten.« Vorsichtig stocherte er mit einem Finger in den Metallteilen herum, die in Tessas zerdrücktem Hut lagen.
»Benedict machte keinen allzu glücklichen Eindruck beim Anblick dieser Metallkäfer«, bemerkte Will. »Ihm muss klar geworden sein, dass Mortmain nun von seinem Treuebruch weiß.«
»Das war ohnehin nur eine Frage der Zeit«, erklärte Charlotte. »Henry, können diese Dinger auch Geräusche aufnehmen, wie ein Phonograph, oder einfach nur Bilder? Sie sind so schnell herumgeflogen ...«
»Ich bin mir nicht ganz sicher.« Henry runzelte die Stirn. »Ich werde mir die Teile in meinem Labor einmal genauer ansehen müssen. Denn obwohl ich im Moment keinen Blendenverschluss oder etwas Ähnliches entdecken kann, bedeutet das noch nicht ...« Als er die verständnislosen Blicke der anderen spürte, schaute er auf und zuckte die Achseln. »Na jedenfalls ist es gar nicht so schlimm, dass der Rat nun einmal selbst einen kleinen Vorgeschmack auf Mortmains Erfindungen bekommen hat. Schließlich ist es eine Sache, davon zu hören, aber etwas vollkommen anderes, sie mit eigenen Augen zu sehen und zu erleben, wozu er fähig ist. Meinst du nicht auch, Lottie?«
Charlotte erwiderte irgendetwas, doch Tessa hörte gar nicht zu, denn ihre Gedanken waren zu einer eigenartigen Begebenheit zurückgekehrt, die sich nach dem Verlassen des Sitzungssaals ereignet hatte: Während sie auf Cyril und die Kutsche warteten, hatte Jem sich kurz abgewandt und mit Will gesprochen. Und in diesem Moment hatte Tessa aus dem Augenwinkel einen flatternden schwarzen Umhang wahrgenommen und Aloysius Starkweather war auf sie zugekommen, mit grimmig-entschlossener Miene.
»Miss Gray«, blaffte er. »Diese Klockwerk-Kreatur ... die Art und Weise, wie sie sich Ihnen genähert hat ...«
Tessa stand nur schweigend da, schaute den alten Mann an und wartete - darauf, dass er ihr irgendetwas vorwarf, obwohl sie sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, was.
»Geht’s Ihnen gut?«, fragte er abrupt und sein Yorkshire-Akzent kam plötzlich deutlich zum Vorschein. »Das Ding hat Ihnen nix getan, oder?«
Langsam schüttelte Tessa den Kopf. »Nein, Mr Starkweather. Vielen Dank für die freundliche Nachfrage, aber es hat mir keinen Schaden zugefügt.«
Inzwischen hatten Jem und Will sich wieder umgedreht und starrten sie beide an. Starkweather schien zu spüren, dass er Aufmerksamkeit erregt hatte, nickte nur knapp, machte dann auf dem Absatz kehrt und marschierte davon, wobei sein schwarzer Umhang hinter ihm herflatterte.
Tessa konnte sich die ganze Geschichte einfach nicht erklären. Sie dachte gerade über den kurzen Moment in Starkweathers Kopf nach - und sein Erstaunen, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte -, als Cyril die Pferde vor dem Institut abrupt zum Stehen brachte. Erleichtert, der Enge des Fahrzeugs entkommen zu können, kletterten die Schattenjäger und Tessa hastig aus der Kutsche.
Durch eine Lücke in der grauen Wolkendecke fiel zitronengelbes Sonnenlicht auf die Stadt herab und ließ die Eingangsstufen glänzen. Charlotte wollte die Treppe gerade hinaufsteigen, doch Henry hielt sie auf und zog sie mit einem Arm an sich, während er mit der anderen Hand noch immer Tessas ruinierten Hut umklammerte. Tessa beobachtete die beiden mit dem ersten Hauch von Glücksgefühl, das sie seit dem Vortag verspürte. Sie hatte Charlotte und Henry inzwischen wirklich ins Herz geschlossen und erkannte nun, dass sie sie gern glücklich sehen wollte.
»Bei allen Sorgen wegen Mortmain sollten wir nicht vergessen, dass heute alles so gut verlaufen ist, wie wir es nur erhoffen konnten«, sagte Henry und hielt seine Frau fest im Arm. »Ich bin so stolz auf dich, Liebes.«
Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte Tessa eine sarkastische Bemerkung von Will erwartet, doch er starrte gedankenverloren zum Tor, während Gideon peinlich berührt und Jem sehr erfreut schien.
Charlotte löste sich von Henry, errötete bis über beide Ohren und richtete ihren Hut, machte aber einen sehr glücklichen Eindruck dabei. »Meinst du das ernst, Henry?«
»Absolut! Meine Frau ist nicht nur wunderschön, sondern auch scharfsinnig und dieser Scharfsinn sollte gewürdigt
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