Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
einen Fuß in dieses Institut zu setzen«, gab Gideon zu bedenken. »Jedenfalls nicht nach dem heutigen Vorfall.«
Sophie, in deren Gesicht allmählich wieder etwas Farbe zurückgekehrt war, erbleichte erneut. »Mrs Branwell wird furchtbar wütend sein, wenn sie erfährt ...«
»Keine Sorge, Sophie«, wiegelte Tessa ab. »Ich werde Gabriel nachgehen und um Verzeihung bitten. Du wirst sehen, es kommt alles wieder in Ordnung.« Und damit setzte sie sich auch schon in Bewegung. Sie hörte zwar noch, wie Gideon ihr nachrief, aber sie war bereits durch die Tür. Obwohl sie es sich nur ungern eingestand, hatte sie dennoch einen Funken Mitgefühl für Gabriel empfunden, als Gideon seine Geschichte erzählte. Denn so früh die Mutter zu verlieren, sodass man sich später kaum noch an sie erinnern konnte, war ihr nicht vollkommen unbekannt. Und wenn ihr jemand erzählt hätte, ihre Mutter habe auf dem Sterbebett noch einen letzten Wunsch geäußert, dann hätte sie nicht sagen können, ob sie nicht alles in ihrer Macht Stehende unternommen hätte, um diesen Wunsch zu erfüllen ... ob dieser nun einen Sinn ergab oder nicht.
»Tessa!«
Sie hatte schon die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als sie Will rufen hörte. Tessa wirbelte herum und sah, wie er mit großen Schritten durch den Korridor auf sie zukam, ein leichtes Lächeln um die Lippen. Doch ihre nächsten Worte fegten ihm das Lächeln vom Gesicht: » Warum bist du mir gefolgt? Du hättest sie nicht allein lassen dürfen, Will! Geh wieder zurück zum Fechtsaal, sofort!«
Will baute sich vor ihr auf. »Und warum?«
Verzweifelt riss Tessa die Hände hoch. »Merken Männer denn gar nichts? Gideon hegt gewisse Absichten gegenüber Sophie ...«
»Gegenüber Sophie? «
»Sie ist ein sehr hübsches Mädchen«, fauchte Tessa. »Du bist ein Narr, falls du nicht bemerkt hast, wie er sie ansieht. Aber ich will nicht, dass er sie nur ausnutzt. Sie hat in ihrem Leben schon genug Kummer gehabt. Und außerdem: Wenn du mich begleitest, wird Gabriel nicht mit mir reden. Das weißt du doch genau.«
Will murmelte irgendetwas in sich hinein und ergriff dann Tessas Handgelenk. »Komm mal mit.«
Die Wärme seiner Finger auf ihrer Haut jagte Tessa ein elektrisierendes Kribbeln durch den Arm. Im nächsten Moment zog Will sie in den Salon und schnurstracks zu dem großen Fenster, das auf den Innenhof hinausging. Dann ließ er ihr Handgelenk los, gerade noch rechtzeitig, sodass Tessa sich vorbeugen und sehen konnte, wie die Kutsche der Lightwoods über das Pflaster preschte und ratternd unter dem Eisentor hindurchfuhr.
»Da bitte«, sagte Will. »Gabriel ist bereits über alle Berge - es sei denn, du möchtest seiner Kutsche nachjagen. Und Sophie ist ein sehr vernünftiges Mädchen. Sie wird nicht zulassen, dass Gideon Lightwood bekommt, was er von ihr will. Und davon abgesehen hat er ungefähr so viel Charme wie ein Briefkasten.«
Zu ihrer eigenen Überraschung musste Tessa plötzlich laut auflachen. Rasch schlug sie sich eine Hand vor den Mund, doch es war bereits zu spät - sie konnte das Lachen schon nicht mehr unterdrücken und lehnte sich Halt suchend ans Fenster.
Will betrachtete sie verwundert, dann zeichnete sich ein leichtes Grinsen auf seinem Gesicht ab. »Ich muss ja amüsanter sein, als ich dachte - was mich in der Tat sehr amüsant machen würde.«
»Ich lache nicht über deine Bemerkung«, beschied Tessa ihm zwischen zwei Lachanfällen. »Aber ... der Ausdruck auf Gabriels Gesicht, nachdem Sophie ihn geohrfeigt hatte - oh, du meine Güte!« Langsam schob sie sich eine Strähne aus dem Gesicht und meinte dann: »Im Grunde sollte ich ja nicht lachen. Er hat sich nicht zuletzt deshalb so furchtbar verhalten, weil du ihn aufgestachelt hast. Eigentlich sollte ich dir böse sein.«
»Sollte, sollte«, sagte Will und schlenderte zum offenen Kamin. Dort ließ er sich in einem der Sessel nieder und streckte die langen Beine in Richtung der Flammen aus.
Wie jeder Raum in ganz England war auch dieser hier ziemlich eisig - bis auf den Bereich direkt vor dem Feuer, überlegte Tessa. Vorne geröstet und hinten halb gefroren, wie ein schlecht zubereiteter Truthahn.
»Kein guter Satz enthielt je das Wörtchen ›sollen‹. Ich hätte meine Wirtshausrechnung begleichen sollen - jetzt sind sie hinter mir her, um mir die Beine zu brechen. Ich hätte nicht mit der Frau meines besten Freundes durchbrennen sollen - jetzt schikaniert sie mich Tag und Nacht. Ich hätte ...«
»Du
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