Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
Augen hoben sich deutlich von seiner blassen Haut ab. »Du begreifst das nicht«, zischte er böse, »du bist keine Schattenjägerin. Du verstehst nichts von Familienstolz, Familien ehre . Granville Fairchild wollte, dass das Institut an seine Tochter übergeben wird, und der Konsul hat seinen Wunsch erfüllt. Aber obwohl der alte Fairchild längst tot ist, können wir ihm zumindest das noch nehmen. Er war ein verhasster Mann - derart verhasst, dass niemand Charlotte zur Frau genommen hätte, wenn der Alte den Branwells nicht viel Geld dafür gezahlt hätte, Henry rauszurücken. Das wissen alle. Jeder weiß, dass er sie nicht wirklich liebt. Wie könnte er auch ...«
Im nächsten Moment ertönte ein Knall wie von einem Gewehrschuss und Gabriel verstummte. Sophie hatte sich vor ihm aufgebaut und ihm eine schallende Ohrfeige verpasst, sodass seine blasse Haut sich bereits rötlich verfärbte. Heftig atmend blieb Sophie vor ihm stehen und starrte ihn an, einen ungläubigen Ausdruck im Gesicht, als könnte sie nicht fassen, was sie gerade getan hatte.
Gabriel ballte die Hände zu Fäusten, rührte sich aber nicht von der Stelle. Er konnte nicht, wusste Tessa. Es war ihm einfach nicht möglich, ein Mädchen zu schlagen - ein Mädchen, das nicht einmal eine Nephilim oder Schattenweltlerin war, sondern nur eine Irdische. Wütend schaute er zu seinem Bruder, doch Gideon hielt seinem Blick mit ausdrucksloser Miene stand und schüttelte dann langsam den Kopf. Mit einem unterdrückten Knurren wirbelte Gabriel herum und stolzierte aus dem Saal.
»Sophie!«, stieß Tessa hervor und streckte den Arm nach ihr aus. »Ist alles in Ordnung?«
Doch Sophie schaute ängstlich zu Gideon auf. »Es tut mir so leid«, stammelte sie. »Es gibt keine Entschuldigung für mein Verhalten ... Ich habe einfach die Beherrschung verloren und ...«
»Das war ein gut platzierter Schlag«, sagte Gideon gelassen. »Wie ich sehe, haben Sie bei meinem Unterricht gut aufgepasst.«
Will hatte sich inzwischen wieder auf die Holzbank gesetzt und seine blauen Augen funkelten vor Wissbegierde. »Aber stimmt das denn auch? Die Geschichte, die Gabriel uns gerade erzählt hat?«, fragte er.
Gideon zuckte die Achseln. »Gabriel betet unseren Vater an. Alles, was Benedict sagt, ist für ihn wie ein Fingerzeig des Himmels. Ich wusste zwar, dass mein Onkel sich umgebracht hat, kannte aber die näheren Umstände nicht ... bis zu jenem Tag, als wir nach der ersten Unterrichtsstunde mit euch nach Hause zurückkehrten. Vater fragte uns, wie das Institut unserer Meinung nach geführt würde, und ich erklärte ihm, dass meines Erachtens alles in Ordnung sei und kein Unterschied zum Institut in Madrid bestünde. Ich habe ihm sogar mitgeteilt, ich könnte keinerlei Anzeichen dafür erkennen, dass Charlotte ihre Aufgabe nicht tadellos erledigen würde. Daraufhin hat er uns dann diese Geschichte erzählt.«
»Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich frage, aber was genau hatte Ihr Onkel denn verbrochen?«, erkundigte Tessa sich.
»Silas? Er hat sich in seinen Parabatai verliebt - wobei es sich entgegen Gabriels Worten nicht um einen unbedeutenden Verstoß handelt, sondern um ein schweres Vergehen. Liebesbeziehungen zwischen Parabatai sind strengstens untersagt ... obwohl selbst die bestausgebildeten Nephilim gelegentlich nicht vor Gefühlen gefeit sind. Natürlich hätte der Rat die beiden sofort getrennt und diese Vorstellung konnte Silas nicht ertragen. Aus diesem Grund hat er sich das Leben genommen. Die Wut und der Kummer darüber haben meine Mutter förmlich aufgefressen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sie sich auf dem Sterbebett gewünscht hat, wir mögen den Fairchilds das Institut abnehmen. Gabriel war damals erst fünf Jahre alt ... hing im Grunde noch an Mutters Rockzipfel ... und ich habe den Eindruck, dass seine Gefühle von damals auch heute noch zu überwältigend für ihn sind, um sie richtig verstehen zu können. Wohingegen ich ... die Ansicht vertrete, dass die Sünden der Väter nicht den Söhnen angelastet werden sollten.«
»Oder den Töchtern«, ergänzte Will.
Gideon warf ihm einen Blick zu und grinste dann schief. Aus seiner Miene sprach keinerlei Abneigung; es schien vielmehr, als verstünde er Will und auch die Gründe für sein Verhalten. Selbst Will hatte eine derartige Reaktion offenbar nicht erwartet und schaute leicht überrascht. »Aber jetzt stehen wir vor dem Problem, dass Gabriel nicht zu bewegen sein wird, noch einmal
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