Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
Schaden anrichten würde.«
Bei diesen Worten hatte Will sich aufrecht hingesetzt; der Apfel ruhte vergessen in seiner Hand. Auch Gideon und Sophie hatten ihr Training unterbrochen und verfolgten die Unterhaltung auf der anderen Seite des Saals - Sophie mit großen Augen und Gideon mit wachsamem Blick. »Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest: Das Yorker Institut hat bereits einen Leiter«, wandte Will sich an Gabriel.
»Aloysius Starkweather ist ein seniler alter Mann«, winkte Gabriel verächtlich ab. »Und er hat keine Nachkommen, mit denen er dem Konsul lästig werden könnte, damit der sie zu seinen Nachfolgern ernennt. Nach dieser Geschichte mit seiner Enkelin haben sein Sohn und seine Schwiegertochter ihre Siebensachen gepackt und sind nach Idris gezogen. Die beiden werden nicht für Geld und gute Worte nach England zurückkehren.«
»Welche Geschichte mit seiner Enkelin?«, hakte Tessa nach, die sich wieder an das Porträt des kleinen, blassen Mädchens im Treppenhaus des Yorker Instituts erinnerte.
»Das Mädchen ist nur zehn oder elf Jahre alt geworden«, sagte Gabriel. »Nach allem, was man hört, war sie stets kränklich, und als man sie dann mit ihrem ersten Runenmal versah ... nun ja, sie muss wohl unzureichend vorbereitet gewesen sein. Jedenfalls hat sie den Verstand verloren und sich in eine Forsaken verwandelt und ist dann gestorben. Der Schock hat Starkweathers alte Frau regelrecht umgebracht und seine Kinder dazu veranlasst, Hals über Kopf nach Idris zu flüchten. Es dürfte nicht viel Mühe kosten, den Alten durch Charlotte ersetzen zu lassen. Der Konsul muss doch sehen, dass er zu nichts mehr taugt - er ist viel zu sehr den alten Traditionen verhaftet.«
Ungläubig starrte Tessa Gabriel an. Während er die Geschichte der Familie Starkweather erzählte, hatte seine Stimme ihren kühlen, gleichgültigen Ton behalten, als würde er nur irgendein Märchen erzählen. Dagegen konnte Tessa einfach nicht umhin, Mitleid zu empfinden, obwohl sie den alten Mann mit dem verschlagenen Blick und seinem schrecklichen Raum voller Überreste toter Schattenwesen eigentlich nicht bedauern wollte. Entschlossen schob sie jeden Gedanken an Aloysius Starkweather beiseite. »Charlotte leitet dieses Institut«, erwiderte sie. »Und daran wird auch Ihr Vater nichts ändern - er wird die Leitung nicht übernehmen.«
»Charlotte verdient es, dass man ihr das Institut wegnimmt.«
Will warf das übrig gebliebene Kerngehäuse seines Apfels in die Luft, zog gleichzeitig ein Messer aus dem Gürtel und schleuderte es hinterher. Das Wurfmesser und der Apfel flogen gemeinsam durch den Saal und trafen unmittelbar neben Gabriels Kopf auf die Wand - die Spitze des Messers bohrte sich sauber durch das Gehäuse in das Holz der Wandvertäfelung. »Sag das noch mal«, knurrte Will, »und ich werde dir für immer das Augenlicht verdunkeln.«
Gabriels Unterkiefer mahlte. »Du hast ja keine Ahnung, wovon du redest.«
Sofort trat Gideon einen Schritt vor - seine gesamte Haltung eine unausgesprochene Warnung. »Gabriel ...«
Doch sein Bruder ignorierte ihn. »Du weißt ja nicht einmal, was der Vater deiner ach so geschätzten Charlotte meinem Vater angetan hat, oder? Ich hab selbst erst vor ein paar Tagen davon erfahren. Mein Vater hat endlich sein Schweigen gebrochen und uns alles erzählt. Bis dahin hatte er die Fairchilds immer geschützt.«
»Dein Vater?«, fragte Will skeptisch. »Die Fairchilds geschützt?«
»Er hat auch uns dabei geschützt ...« Gabriel sprudelten die Worte nun förmlich über die Lippen: »Der Bruder meiner Mutter, mein Onkel Silas, war einer von Granville Fairchilds engsten Freunden. Doch dann hat Onkel Silas gegen das Gesetz verstoßen - eine Lappalie, eine unbedeutende Zuwiderhandlung - und Fairchild hat es entdeckt. Aber das Einzige, wofür er sich interessiert hat, war das Gesetz - nicht Freundschaft und auch nicht Loyalität. Und er ist direkt zum Rat marschiert.« Gabriels Stimme bekam nun einen lauten, schrillen Ton: »Mein Onkel hat sich aus Scham das Leben genommen und meine Mutter ist vor Gram gestorben. Die Fairchilds interessieren sich für nichts und niemanden, außer für sich selbst und das Gesetz!«
Einen Moment lang herrschte Stille im Fechtsaal; selbst Will war sprachlos und schaute äußerst verblüfft. Tessa fing sich als Erste wieder und entgegnete: »Aber das ist nicht Charlottes Fehler, sondern der ihres Vaters.«
Gabriel war inzwischen bleich vor Wut und seine grünen
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