Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
und gelbe zumal.
Du bist hoch und niedrig bin ich,
Schöne Blumen im Tal -
Gib mir einen Kuss, so entlass ich dich!
Rot’, grün’ und gelbe zumal.
Sie beugt sich hernieder und küsst ihn fein,
Schöne Blumen im Tal -
Er stieß ihr ins Herze sein Messerlein.
Rot’, grün’ und gelbe zumal.«
[6]
Plötzlich tauchte Nates Gesicht vor Tessas innerem Auge auf und ein kalter Schauer fuhr ihr über den Rücken.
Sophie, die an Tessa vorbei in die Küche spähte, schien ihr Schaudern nicht zu bemerken. »Das ist das Einzige, wovon sie die ganze Zeit singt: Mord und Verrat, Blut und Schmerz. Einfach grässlich«, wisperte sie und übertönte damit glücklicherweise das Ende der Ballade.
Bridget trocknete inzwischen das Geschirr ab und setzte zu einem anderen Volkslied an, dessen Melodie noch melancholischer klang als die der ersten Ballade:
»Dein Schwert, wie ist’s von Blut so rot?
Edward, Edward!
Dein Schwert, wie ist’s von Blut so rot?
Und gehst so traurig her? - Oh!«
[7]
»Genug davon!« Sophie machte auf dem Absatz kehrt und eilte durch den Korridor, dicht gefolgt von Tessa. »Verstehen Sie jetzt, was ich meine? Bridget scheint so schrecklich trübsinnig und es ist gar nicht schön, ein Zimmer mit ihr zu teilen. Weder morgens nach dem Aufstehen noch abends vor dem Schlafengehen hat sie auch nur ein freundliches Wort übrig; stattdessen klagt sie die ganze Zeit ...«
»Du teilst dir ein Zimmer mit ihr?«, fragte Tessa verwundert. »Aber das Institut verfügt doch über so viele Räume ...«
»Ja, für durchreisende Schattenjäger. Nicht für Dienstboten«, sagte Sophie sachlich, als wäre ihr noch nie der Gedanke gekommen, sich über die Tatsache zu beschweren, dass Dutzende großer Gemächer leer standen, während sie sich eine Kammer mit Bridget, der Sängerin mordlustiger Balladen, teilen musste.
»Ich könnte ja mal mit Charlotte reden ...«, setzte Tessa an.
»Oh, nein, bitte tun Sie das nicht!«, fiel Sophie ihr ins Wort. Inzwischen standen sie vor der Tür zum Fechtsaal und Sophie drehte sich mit bestürzter Miene zu Tessa um. »Ich möchte nicht, dass sie denkt, ich würde mich über die anderen Dienstboten beschweren, Miss Tessa. Das möchte ich wirklich nicht.«
Tessa wollte Sophie gerade versichern, dass sie Charlotte gegenüber kein Wort verlieren würde, wenn dies ihr Wunsch sei, als plötzlich erhobene Stimmen durch die Tür des Fechtsaals drangen. Rasch bedeutete sie dem Dienstmädchen zu schweigen, dann beugte sie sich vor und lauschte angestrengt.
Bei den Stimmen handelte es sich eindeutig um die der Lightwood-Brüder. Tessa erkannte Gideons tiefere, rauere Tonlage, als er verkündete: »Eines nicht allzu fernen Tages wird der Moment der Abrechnung kommen, Gabriel. Darauf kannst du dich verlassen. Und das Einzige, was dann zählt, ist die Frage, wo wir beide stehen.«
»Wir werden selbstverständlich an Vaters Seite stehen«, erwiderte Gabriel mit angespannter Stimme. »Wo auch sonst?«
Nach langem Schweigen erklärte Gideon schließlich: »Du weißt längst nicht alles über ihn, Gabriel. Du weißt nicht, was er alles getan hat.«
»Aber ich weiß, dass wir beide Lightwoods sind und dass er unser Vater ist. Und ich weiß, dass er nach dem Tod von Granville Fairchild fest damit gerechnet hatte, zum Leiter des Instituts ernannt zu werden ...«
»Vielleicht weiß der Konsul ja mehr über ihn als du. Und auch mehr über Charlotte Branwell. Sie ist keineswegs die Närrin, für die du sie hältst.«
»Ach, wirklich?« Gabriels Stimme triefte vor Hohn. »Und die Tatsache, dass sie uns hierher kommen und ihre heiß geliebten kleinen Mädchen trainieren lässt, macht sie also nicht zur Närrin? Müsste sie denn nicht längst in Betracht gezogen haben, dass wir für unseren Vater spionieren könnten?«
Sophie und Tessa sahen einander mit großen Augen an.
»Sie hat nur eingewilligt, weil der Konsul sie regelrecht dazu gezwungen hat. Davon abgesehen, werden wir bei jeder Ankunft an der Tür empfangen, hierher zum Fechtsaal geführt und auch wieder hinausbegleitet. Und Miss Collins und Miss Gray wissen ohnehin nichts, was von Bedeutung wäre. Was meinst du also, welchen Schaden unsere Anwesenheit hier dem Institut Charlotte Branwell tatsächlich zufügt?«
Einen Moment lang herrschte Stille, während der Tessa fast hören konnte, wie Gabriel schmollte. Schließlich konterte er: »Wenn du Vater so sehr verachtest, warum bist du dann überhaupt aus Spanien zurückgekehrt?«
»Ich bin
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