Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
sich anschließend kraftlos auf dem Boden winden und an seinen eigenen Namen zu erinnern versuchen wird.«
»Der Mann ist neunundachtzig«, murmelte Jem. »Dieses Problem dürfte ihm möglicherweise längst vertraut sein.«
»Aber im Moment sparst du dir deinen ganzen Charme vermutlich für später auf, stimmt’s?«, fragte Tessa. »Um nicht ein Quäntchen an uns zu verschwenden?«
»Das trifft es haargenau.« Will klang sehr zufrieden. »Ach übrigens: Der alte Starkweather verabscheut nicht Charlotte, Jem - er hasst vielmehr ihren Vater.«
»Die Sünden der Väter«, sinnierte Jem. »Die Starkweathers werden kaum geneigt sein, irgendein Mitglied der Familie Fairchild zu mögen oder sonst jemanden, der mit ihnen Umgang pflegt. Charlotte wollte nicht einmal Henry nach York schicken ...«
»Das liegt daran, dass man Henry nicht allein aus dem Haus lassen kann, ohne gleich einen diplomatischen Zwischenfall zu riskieren«, erklärte Will. »Aber um deine unausgesprochene Frage zu beantworten: Ja, ich verstehe vollkommen, dass Charlotte großes Vertrauen in uns setzt, und ich beabsichtige durchaus, mich zu benehmen. Schließlich will ich diesen schielenden Benedict Lightwood und seine hässlichen Söhne genauso wenig auf dem Posten des Institutsleiters sehen wie alle anderen.«
»Sie sind nicht hässlich«, wandte Tessa ein.
Will blinzelte sie verwundert an. »Wie bitte?«
»Gideon und Gabriel ... sie sind nicht hässlich«, wiederholte Tessa. »Genau genommen sehen sie sogar ziemlich gut aus.«
»Ich sprach von den pechschwarzen Tiefen ihrer Seelen«, erwiderte Will mit Grabesstimme.
Tessa schnaubte verächtlich. »Und welche Farbe mögen wohl die Tiefen deiner Seele aufweisen, Will Herondale?«
»Lavendelblau«, sagte Will prompt.
Hilfe suchend schaute Tessa zu Jem, doch der lächelte nur. »Vielleicht sollten wir jetzt einmal unsere Taktik besprechen«, schlug er vor. »Starkweather hasst Charlotte und er weiß genau, dass sie uns geschickt hat. Also, wie wollen wir uns in seine Gunst einschmeicheln?«
»Tessa könnte ihre weiblichen Reize einsetzen«, überlegte Will. »Schließlich hat Charlotte gesagt, dass der Alte dem Anblick eines hübschen Gesichts nicht abgeneigt ist.«
»Wie hat Charlotte überhaupt meine Anwesenheit erklärt?«, erkundigte Tessa sich, wobei ihr plötzlich bewusst wurde, dass sie diese Frage schon viel früher hätte stellen müssen.
»Im Grunde genommen gar nicht. Sie hat lediglich unsere Namen durchgegeben; ihr Schreiben war ziemlich kurz und schroff«, räumte Will ein. »Ich fürchte, es ist an uns, eine glaubwürdige Geschichte zu erfinden.«
»Wir können mich auf keinen Fall als Schattenjägerin ausgeben - Starkweather würde sofort erkennen, dass ich das nicht bin. Mir fehlen die entsprechenden Runenmale.«
»Und du trägst auch kein Lilithmal. Vermutlich wird er dich für eine Irdische halten«, sagte Jem. »Du könntest dich zwar verwandeln, aber ...«
Will musterte sie abwägend.
Obwohl Tessa wusste, dass dies nichts zu bedeuten hatte - eigentlich sogar noch weniger als nichts -, spürte sie seine Augen über ihre Gestalt gleiten, fühlte sie wie eine sanfte Berührung im Nacken, die sie innerlich erbeben ließ. Hastig zwang sie sich, seinen Blick mit steinerner Miene zu erwidern.
»Vielleicht könnten wir ja behaupten, sie sei eine schrullige, unverheiratete Tante, die darauf beharrt, uns als Anstandsdame überallhin zu begleiten«, sinnierte Will.
»Meine oder deine Tante?«, hakte Jem nach.
»Stimmt, sie sieht eigentlich keinem von uns beiden ähnlich. Wie wäre es damit: Sie ist ein Mädchen, das sich unsterblich in mich verliebt und es sich in den Kopf gesetzt hat, mir auf Schritt und Tritt zu folgen.«
»Meine besondere Gabe ist die Gestaltwandlung, Will, nicht die Schauspielkunst«, hielt Tessa ihm entgegen, woraufhin Jem in schallendes Gelächter ausbrach.
Wütend funkelte Will seinen Freund an.
»Da hat sie dich eindeutig übertrumpft, Will«, grinste Jem. »Das kommt schon mal vor, oder? Vielleicht sollte ich Tessa einfach als meine Verlobte vorstellen. Wir könnten dem alten Aloysius doch erzählen, ihre Aszension sei bereits in die Wege geleitet.«
»Aszension?« Tessa konnte sich nicht erinnern, diesen Begriff im Codex gelesen zu haben.
Bereitwillig setzte Jem an: »Wenn ein Schattenjäger sich mit einer Irdischen zu vermählen wünscht ...«
»Aber ich dachte, das sei verboten?«, warf Tessa ein, während der Zug im selben Moment in einen
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