Chroniken der Schattenkrieger (German Edition)
möglich?“, stotterte Aragon los.
„Der
eine hat seine Gabe erst seit Kurzem. Er ist sehr jung, doch die Gabe ist
stark.“
Elias
stand wieder auf und schob den Stuhl hastig zur Seite. Nachdenklich und voller
Anspannung schritt er quer durch den Raum, von einer Wand zur nächsten.
„Waflor
ist nun bei ihr und wird seine Aufgabe gut erfüllen. Er wird auf sie achten und
ihr ständiger Begleiter sein. Dort, wo wir versagen könnten, wird er das
Geschehen zum Guten wenden. Es ist der beste Beschützer, den sie nun haben
kann“, redete Karl weiter.
„Abgesehen
von uns!“, warf Elias laut in den Raum. „Wir werden unser Leben dafür geben, um
das ihre zu erhalten und sie nicht zu Schaden kommen zu lassen. Es ist unsere
Aufgabe und unser Schicksal.“
Streng
sah Karl den aufgebrachten Elias an und Stolz funkelte in seinen Augen. Aragon
stellte sich neben seinen Bruder.
„Wir
werden unsere Augen nicht von ihr lassen. Wir werden sie beschützen und unser
Schicksal erfüllen.“
Karl
wollte seinen Stolz nicht offen zeigen, wandte sich ab und ging mit auf dem
Rücken verschränkten Armen im Zimmer umher.
„Sie
haben sich unweit von hier niedergelassen. Sie sind zu sechst. Dass sie nur die
beiden auf die Schule gelassen haben, hat einen Sinn. Sie haben einen Plan, und
ich bin mir sicher, dass es ein ausgetüfteltes Stück sein wird. Die anderen
drei und ihr Anführer halten sich vorerst im Hintergrund und ziehen von da aus
die Fäden. Wir müssen herausfinden, was sie vorhaben, und dürfen ihnen nicht
von den Fersen weichen. Wir sind in der Unterzahl, dennoch werden wir die
Hoffnung nicht verlieren und bis zum bitteren Ende durchhalten. Aaron muss so
schnell, wie es nur geht, zurückkehren. Ich werde mit ihm in Kontakt treten.
Bringt euch in Position und verliert sie nicht aus den Augen.“
Aragon
und Elias gingen vor Karl in die Knie und senkten ehrerbietig die Köpfe. Als
sie durch die Tür schritten, um das Erbe anzutreten, das ihr Dasein
legitimierte, rief Karl ihnen plötzlich hinterher.
„Soldaten …“,
jahrelang hatte er sie nicht mehr so angesprochen, um ihr tarnendes Schauspiel
nicht zu gefährden. Nun war die Zeit da, in der sie wieder an ihre Pflicht
erinnert werden mussten. Die beiden Jungs drehten sich rasch um und sahen ihren
Vater, ihren Anführer an. „… seid vorsichtig!“, beendete er seinen Satz.
Ein
kalter Schauer durchlief Aaron, als er das nervige Klingeln seines Telefons
hörte. Etwas sagte ihm, dass dieser Anruf keine guten Nachrichten brachte. Im
Grunde bekam er nie einen Anruf, denn außer seinen Brüdern, dem verbliebenen
Rest der königlichen Leibgarde, gab es niemanden, dem die Nummer seines
Telefons bekannt war. Er atmete tief ein und blies den Atem mit einem langen
Hauch wieder aus der Lunge. Schließlich fasste er seinen Mut zusammen und
drückte auf die grüne Taste mit dem Hörer.
„Aaron,
hier spricht Nathael“, meldete sich die vertraute Stimme auf der anderen Seite
der Leitung.
„Wie
schlimm ist es?“, fragte Aaron ohne Umschweife, da er den Grund für den Anruf
seines Anführers – oder seines „Vaters“, wie sie ihn seit Jahren zum Zweck
der Tarnung nannten – bereits ahnte.
„Sie
sind hier, in unserer Stadt. Sie sind in der Überzahl. Zwei von ihnen haben
sich in die gleiche Schule eingeschleust, in die auch die Prinzessin geht.
Verdammt, sie sind sogar in der gleichen Klasse.“ Nathaels Stimme klang
aufgeregt, doch konnte Aaron keinen Anflug von Furcht darin erkennen. Etwas
anderes hätte er von seinem Anführer auch nicht erwartet.
„Ich
bin unterwegs!“ Aaron drückte auf den roten Knopf und trennte die Verbindung.
Die
Aussicht aus seinem Hotelzimmer war traumhaft. Das Hotel Lammart gehörte zu den
wohl schönsten Anlagen der Stadt. Aaron bedauerte, dass sein Aufenthalt in
dieser luxuriösen Umgebung nun zu Ende war, aber er musste zurück und genau wie
seine Mitbrüder die Pflicht erfüllen, die sein Schicksal bedeutete.
Seit
Jahren hatte er ihre Feinde verfolgt, doch er war immer ein Schritt zu langsam
gewesen. Nun musste er sich endgültig eingestehen, dass er versagt hatte. Die
Feinde waren schneller gewesen als er, und schlimmer noch: Sie hatten nun die
Prinzessin entdeckt.
Aaron
öffnete die großen, bodentiefen Fenster seines Hotelzimmers und sprang mit
einem Satz in die Tiefe.
Kapitel 10 – Das Ziel ist nahe
Portland
(US-Bundesstaat Maine). Das Jahr 2010. Sommer.
Die
neue Familie, die das kleine Städtchen seit einigen Tagen
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