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Chroniken der Schattenkrieger (German Edition)

Chroniken der Schattenkrieger (German Edition)

Titel: Chroniken der Schattenkrieger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Fleming
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Händen mit einem kleinen Notizblock auf dem Schoß da saß und
gespannt den Worten seiner Lehrerin lauschte. Ein leises Kichern kam aus
Sydneys Mund. Es war so unerwartet, dass sie selbst darüber erschrak.
    Peinlich
berührt saß sie da und spürte, wie sich Röte in ihrem Gesicht ausbreitete. Doch
das plötzliche Schamgefühl verschwand genauso schnell wieder, wie es gekommen
war, als Sydney merkte, dass Anthony zu ihr herüberblickte. Es war das erste
Mal, dass er sie direkt anschaute.
    Er
fixierte sie mit seinen dunklen Augen und schien in sie hineinzusehen. Sydney
entgegnete den Blick und schien davon wie verzaubert zu sein. Die Geräusche um
sie herum wurden mit jedem Atemzug leiser und leiser, bis sie nichts mehr
wahrnahm als das laute Pochen ihres Herzschlags.
    „… und
du?!“, Marion Smith’ nervig und zugleich schrill klingende Stimme riss das in
angenehm warme Gedanken versunkene Mädchen aus seinem Trancezustand und holte
es in die Wirklichkeit zurück. „Hast du auch ein Gedicht geschrieben?“, hakte
der nervige Junge noch mal nach.
    „Ehm …
ja, natürlich“, antwortete Sydney und schüttelte den Kopf, um wieder einen
klaren Gedanken zu finden.
    „Das
ist ja traumhaft“, verkündete Mrs. Garden ihre Euphorie in die Welt hinaus, als
sie die frohe Botschaft hörte. Alle Schüler hatten sich mit der von ihr
aufgegebenen Hausaufgabe befasst und sich auf die Unterrichtsstunde
vorbereitet. Es war mehr, als Mrs. Garden sich jemals zu träumen gewagt hätte.
    Das
Gesicht der Lehrerin strahlte pure Freude aus, ganz im Gegensatz zu der
Grimasse, die Marion zog. Zunächst war Sydney überrascht und fragte sich,
weshalb er sie und ihr Notizblock so angewidert anstarrte. Eine Erklärung für
dieses Verhalten hatte sie nicht, auch konnte sie sich nicht daran erinnern,
Marion etwas Böses angetan oder ihn gar verletzt zu haben. Doch schnell stellte
sie erstaunt fest, dass der hasserfüllte Blick nicht nur ihr alleine galt.
Marion Smith saß bewegungslos auf seinem Stuhl. Die ordentlich sortierten
Aufzeichnungen in einem Schnellhefter eingeklemmt und sorgfältig auf seinem
Schoß aufgesetzt, schaute er jeden seiner Mitschüler nacheinander an. Missgunst
war in seinem Blick zu erkennen, der an den Aufzeichnungen der anderen haften
blieb. Es schien, als wäre er auf die Leistung der anderen Kursteilnehmer
eifersüchtig. Anscheinend war Mrs. Garden nicht die Einzige im Raum, die von
den reichen Ergebnissen der Schüler überrascht war.
    Als
sich Marions Gesicht Anthony zuwandte, hielt Sydney instinktiv die Luft an.
Abfällig sah der unbeliebte Junge den Block an, den Anthony fest in seinen
starken Händen hielt. Die ungewollte Aufmerksamkeit, die dem Neuling
zuteilwurde, blieb von ihm nicht unbemerkt. Stur hob er im Nu seinen Kopf und
starrte mit seinen dunklen Knopfaugen den etwas verängstigt wirkenden Marion
an. Anthonys Augenbrauen zogen sich langsam zusammen, und eine kräftige Falte
bildete sich auf seiner noch recht jungen Stirn. Mit einer langsamen, fast
fließenden Bewegung öffnete sich sein Mund und entblößte schneeweiße Zähne.
    „Ist
was?“, fragte Anthony streng. Anthony sprach selten, deshalb saugte Sydney
jedes seiner Worte begierig auf. Von der Reaktion seines Gegenübers etwas
überrascht, schüttelte Marion den Kopf und senkte verlegen den Blick.
    „Nun“,
übernahm Mrs. Garden wieder den Unterricht. „Wer möchte sich trauen und sein
Gedicht als Erster vortragen?“ Wie von allen erwartet, meldete sich Marion
sofort. Binnen einer Sekunde schnellte seine rechte Hand nach oben. Mit lautem
Fingerschnipsen machte er zusätzlich auf sich aufmerksam, um bloß nicht
übersehen zu werden. Da er der einzige Freiwillige war, wurde ihm die Ehre
zuteil, die Vortragsrunde zu eröffnen.
    Mit
lauter Stimme las er Zeile für Zeile vor und achtete penibelst darauf, jedes
Satzzeichen richtig zu betonen. Eins musste man ihm lassen: Beim Erledigen
seiner Hausaufgaben gab sich Marion die größte Mühe. Den letzten Satz sprach er
besonders langsam aus, um die Reimwirkung der von ihm gewählten Wörter noch
deutlicher hervorzuheben. Zum Schluss deutete er eine leichte Verbeugung an und
setzte sich wieder auf seinen Platz.
    Widerwilliger
Beifall der Anwesenden war ein nur geringer Lohn für seine Mühe. Noch bevor
seine Pobacken die volle Härte des Stuhls zu spüren bekamen, dachte er bereits
darüber nach, sein Gedicht auf die Titelseite der nächsten Ausgabe der
„Jonathan Times“ zu platzieren.

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