Chroniken der Schattenkrieger (German Edition)
roten Band an seiner Brust. Sie war der einzige Gegenstand in
seinem Leben, den er sowohl liebte als auch hasste. Jedes Mal, wenn er das
kalte Metall mit seinen Lippen umschloss, kehrte die unangenehme Erinnerung zurück.
Die Erinnerung an den Tag, an dem ihm der Chirurg, der ihn Stunden zuvor
operiert hatte, ein Kästchen auf das langweilige Krankenhausnachtschränkchen
stellte, um mit dem Geschenk die Wirkung seiner Hiobsbotschaft zu mindern.
„Sie
werden zwar nie wieder spielen können, aber die Liebe zum Rugby wird Ihnen
keiner nehmen“, verkündete der Arzt mit mitfühlender Stimme. Und verdammt, er
hatte Recht.
Der
Autounfall hatte Joes zielstrebigen Karrierewünschen, eines Tages ein
professioneller Rugbyspieler zu werden, einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Doch um ihn endgültig vom Platz zu vertreiben, müssten schon schwerere
Geschütze aufgefahren werden als zwei gebrochene Beine und ein zertrümmerter Hüftknochen.
Die
verschwitzten Jungs verließen den Rasen und sammelten sich im Kreis um ihren
Trainer. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, humpelte Joe paar Schritte
vorwärts und wieder zurück. Die Schüler, die ihn bereits länger kannten, wussten,
was dies bedeutete. Elias und Aragon machten sich bereits auf eine Rede gefasst –
gespannt darauf, ob es sich dabei um ein Lob oder eine Standpauke handelte.
„Unsere
Mannschaft ist eine Familie …“ Joe senkte den Blick und machte paar weitere
Schritte. Die Redepause unterstrich die Wirkung seiner Worte. „… und
Jeremy ist seit Neuestem ein neues, vollwertiges Mitglied unseres Teams“,
beendete Trainer Joe seinen Satz.
Die
Mannschaft schwieg. Noch konnte keiner erkennen, welches Ziel die Rede genau
hatte und worauf der Trainer hinaus wollte. Um eine Begrüßungsrede für den
Neuling konnte es sich dabei nicht handeln, denn die Aufnahmezeremonie war
bereits in der Woche zuvor vollzogen worden.
Jeremy
stand den beiden Winson-Brüdern gegenüber und schaute sie grinsend an.
Plötzlich zuckten seine Gesichtsmuskeln, für die anderen Spieler kaum
wahrnehmbar, doch er selbst spürte ganz genau, dass Anthony nicht weit entfernt
war. Im gleichen Moment verfinsterten sich die Gesichter der beiden blonden
Brüder noch stärker. Auch ihnen war die Anwesenheit des weiteren Feindes nicht
unbemerkt geblieben.
„ Mein
Kurs ist zu Ende. Ich dachte, ich penne dabei ein “, hörte Jeremy als
Einziger die vertraute Stimme seines Freundes in seinem Inneren.
„ Gesell
dich doch zu uns und wir zeigen den beiden Blondinen, wozu die Schattenkrieger
imstande sind! Ich alleine bringe sie schon ins Schwitzen – gemeinsam
nehmen wir sie auseinander .“ Jeremy grinste nun noch stärker und schaute
zur Seite. Elias und Aragon folgten mit ihren Blicken dem seinen und erkannten
nun ebenfalls die große, dunkle Gestalt, die sich mit gemächlichen Schritten
dem Sportplatz näherte.
„Missgunst
und Rivalität dulde ich nicht, weder im privaten Leben noch im Sport und schon
gar nicht in meiner Mannschaft“, fuhr Joe mit einem etwas strengeren Ton fort;
dann drehte er sich um und schaute zunächst Elias an. Danach glitten seine vor
leichtem Zorn glänzenden Augen zur Seite und blickten in Aragons Augen. Die
beiden Jungs hielten den Blicken stand, ohne sich irgendeiner Schuld bewusst zu
sein. „Es ist mir nicht entgangen, dass ihr beide dem Neuling unserer
Mannschaft mehr als nur gastfeindschaftlich gegenübersteht. Was immer ihr auch
für Probleme hegt, sie gehören nicht auf diesen Platz. Wir halten zusammen, und
genau das garantiert uns die Siege – keine Sticheleien und unfaire
Spielweise. Für die Zukunft erwarte ich von euch beiden mehr Respekt und
Rücksichtnahme. Jeremy soll sich bei uns wohlfühlen.“ Joe beendete seine Rede,
die er ohne Luftholen in die Welt hinausposaunt hatte, und spuckte anschließend
auf den Boden, um die Härte und den Ernst seiner Worte zu unterstreichen.
„Verstanden,
Joe“, sagte Elias.
„Wird
nicht wieder vorkommen“, fügte Aragon hinzu und nickte ebenfalls reumütig mit
dem Kopf.
„Das
höre ich gerne“, beendete Joe endgültig die Diskussion und verpasste den dreien
nacheinander einen Klaps auf die Schulter. „Um das Ganze auf die Probe zu
stellen, schlage ich ein kleines Match vor. Betrachtet es als zusätzliches
Training und Vorbereitung auf das anstehende Turnier. Winsons bilden die Gruppe
A, Jeremy wird die Gruppe B anführen. Zeigt, was ihr draufhabt, und seid fair.“
„Joe“,
wandte sich
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