Chroniken der Schattenkrieger (German Edition)
ein, doch
dieses reagierte nicht auf ihre Worte.
Nach
einer weiteren Minute der Verfolgungsjagd blieb Sydney plötzlich stehen,
wischte sich mit dem Ärmel den kalten Schweiß von der Stirn und holte mehrere
tiefe Atemzüge frischen Sauerstoffes. Sie ärgerte sich und war es leid, sich
von einem Tier, das nicht die geringste Spur von Intelligenz besaß, um den
Finger wickeln zu lassen.
Als
der Kater merkte, dass Sydney nicht weiterlief, blieb auch er stehen; seine
grellen Augen richtete sich wieder auf das Mädchen und betrachteten es mit
einem fragenden Blick.
Der
Kater, dem Sydney bereits den Rufnamen „Blödmann“ verpasst hatte, leckte sich
die Pfote, setzte sich in die Mitte einer asphaltierten einspurigen Straße hin
und fuhr mit dem Säuberungsritual fort. Diesmal war jedoch nicht die andere
Pfote, sondern sein Gemächt an der Reihe. Ordentlich und ohne jegliche Hast
arbeitete seine geriffelte Zunge jedes Quadratzentimeter nacheinander ab.
„Dummes
Tier“, dachte Sydney bei sich und fühlte sich in ihrer Meinung bestätigt, was
die Intelligenz des Katers anging.
Von
Weitem erklang das dumpfe Brummen eines Motors. Ein Fahrzeug kam mit
gefährlicher Geschwindigkeit immer näher. Blödmann schien dies nicht zu
interessieren, und er ließ sich in seiner Tätigkeit nicht stören.
Sydneys
Augen wanderten von dem Kater zu der nahe gelegenen Abbiegung, aus welcher
Richtung sich das Fahrzeug zu nähern schien, und wieder zurück, als plötzlich
ein weißes Wohnmobil um die Kurve gefahren kam und sich rasend auf den nichts
ahnenden Kater zubewegte.
Ohne
Angst vor möglichen Gefahren schnellte Sydney nach vorne, um Blödmann, der das
Fahrzeug weiterhin strikt ignorierte, das Leben zu retten. Sie wusste, dass
Katzen, wenn man dem Volksmund Glauben schenken konnte, sieben Leben besaßen,
doch Sydney wollte diese abergläubische Weisheit nicht auf die Probe stellen.
Der
Fahrer des Wohnmobils sah den mitten auf der Straße sitzenden Kater nicht, denn
er verringerte weder die Geschwindigkeit noch setzte er zu einem
Ausweichmanöver an. Sydney lief los, und nur wenige Schritte trennten sie von
dem schutzlosen Tier, als Blödmann plötzlich aufschrak, sich aufrichtete und
davonrannte. Das Mädchen war enttäuscht und fühlte sich von dem Kater schon
wieder hinters Licht geführt.
Lautes
Hupen riss sie unsanft aus ihren Gedanken heraus. Sie stand nun dort, wo sich
zuvor der Kater ausgeruht hatte, und sah die grellen Scheinwerfer des
Wohnmobils auf sich zukommen. Wie ein geblendetes Reh starrte sie in das Licht,
unfähig, ihrem Körper irgendein Signal zu senden, das sie reagieren und sich in
Sicherheit bringen ließ. Das Einzige, was ihr noch blieb, war die Hoffnung auf
ein Wunder oder die schnelle Reaktionsfähigkeit des Fahrers.
Plötzlich
nahm sie eine Bewegung wahr. Diese kam weder von der Seite noch von hinten. Aus
dem Augenwinkel sah sie etwas von oben auf sich herabstürzen.
* * *
Sydney
hielt die Augen geschlossen und vermochte sie nicht zu öffnen. Sie spürte
nichts Festes mehr unter sich, und ihre Füße baumelten frei herum. Sydney
wusste, dass etwas oder jemand vom Himmel geschossen gekommen war, sie fest umklammert
hatte und mit ihr in die Höhe gesprungen war, doch eine darauf folgende
Landung, mit der man in solch einem Augenblick rechnen konnte, gab es nicht.
Sie spürte kalten Wind im Gesicht, der ihre Haare wild durcheinanderbrachte.
Das Ganze fühlte sich nach einem Flug an, doch das konnte sie sich nicht
vorstellen. So etwas war unmöglich. Oder?
Sydney
überlegte, ob sie von dem Wohnmobil überfahren worden sein könnte und sich nun
auf dem Weg in den Himmel befände. Doch dann verwarf sie diesen Gedanken schnell
wieder, denn weder hörte sie Engelsstimmen noch hatte sie vorhin die Härte des
sie überfahrenden Wohnmobils gespürt.
Unsicher
öffnete sie erst das linke Auge. Unter sich sah sie Hausdächer vorbeihuschen
und ihre Füße, die tatsächlich den Erdboden nicht berührten, sondern in der
Luft schwebten. Sie konnte nicht glauben, was sie sah, und gab dafür dem soeben
durchlebten Schock die Schuld. Das rechte Augenlid glitt nun auch nach oben,
und dieses Auge vermittelte ihr das gleiche Bild. Starkes, mehrmaliges Blinzeln
änderte nichts an dem Schauspiel, das sich unter ihr abspielte. Sie konnte es
kaum fassen, aber sie flog tatsächlich.
„Keine
Angst“, erklang eine Männerstimme von oben herab. Die Stimme gehörte
demjenigen, der sie in den Armen hielt und davon bewahrte, in
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